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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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paar Fragen an Sie habe. Es geht um eine Grabung, an der Sie im Jahr 1978 beteiligt waren. Auf dem Tell Brak in Syrien.«
    »Ich kann mich erinnern. Ich habe damals als Archäobotaniker gearbeitet und mit Hilfe von Pflanzenresten versucht, die Agrargeschichte des Ortes zu rekonstruieren.«
    Morell war erleichtert. Es stimmte also, dass bei dementen Menschen oft nur das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt war, während das Langzeitgedächtnis immer noch tadellos funktionierte. »Ist damals irgendetwas Besonderes geschehen? Etwas, das mit Vitus Novak zu tun hatte?«
    Zuckermanns Miene verdüsterte sich. »Ja«, zischte er. »Novak, dieser Hund, hat einen Fluch über uns alle gebracht.«
    »Einen Fluch?«
    »Genau. An allem Übel ist nur er schuld. Er mit seinem verdammten Grab. Ganz fanatisch war er deswegen.«
    »Halt. Stopp. Ganz langsam.« Morell hob die Hände. »Können Sie bitte von vorne beginnen? Was war das für ein Grab, und warum war Novak so sehr daran interessiert?«
    »Ich weiß nicht, was genau es damit auf sich hatte. Novak ist eines schönen Tages zu mir gekommen, hat behauptet, dass er da so eine Ahnung habe, und hat mich gebeten, ihm in der Nacht beim Graben zu helfen.«
    Morells Magen machte einen kleinen Satz, und zwar dieses Mal nicht aus Hunger, sondern vor Freude – endlich hatte er eine Spur. »In der Nacht? Warum denn nicht tagsüber?«
    »Novak war irgendwie paranoid. Hat behauptet, es sei seine ganz persönliche Entdeckung, und wollte darum nicht, dass zu viele andere davon erfahren – vor allem nicht Harr, unser Grabungsleiter. Novak hat sich nämlich eingebildet, dass der ihm die Lorbeeren streitig machen könnte. Darum hat er ja auch ausgerechnet mich um Hilfe gebeten – er wusste, dass ich nicht auf der Suche nach Ruhm und Anerkennung war. Ich wollte einfach nur in Ruhe meine Pflanzen studieren.«
    »Und dann?« Morell bemerkte, wie sich ein Kribbeln in seinem Bauch ausbreitete. Das war das Adrenalin, das durch seinen Körper gepumpt wurde. Ein gutes Gefühl, das er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Er kannte es noch gut aus seiner Anfangszeit bei der Kripo. So fühlte es sich an, wenn er Witterung aufnahm.
    »Ich wollte kein Spielverderber sein und habe ihm darum geholfen. Wir sind also in der Nacht zu diesem kleinen Hügel gegangen, ungefähr eineinhalb Kilometer vom Lager entfernt, und haben dort gegraben. Nach zirka zwei Metern sind wir auf eine Steinplatte gestoßen, die mit Keilschriftzeichen versehen war. Novak hat sie übersetzt.«
    »Und was stand drauf?«
    »Es war eine Fluchformel, die davor warnte, das Grab zu öffnen. An den genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern. Normalerweise bin ich kein furchtsamer oder abergläubischer Mensch, aber irgendetwas hat mir damals einen kalten Schauer über den Rücken gejagt. Eine innere Stimme hat mir gesagt, dass es besser wäre, die Finger von der Sache zu lassen, also habe ich die Arbeit abgebrochen und bin zurück ins Lager gegangen.«
    »Und Novak?«
    »Der war natürlich stinksauer und hat mich als Feigling beschimpft. Aber mir war das egal. Ich habe immer schon gerne meinem Bauchgefühl vertraut.«
    Ein sehr sympathischer Wesenszug, dachte Morell. »Und was hat Novak dann gemacht?«
    »Keine Ahnung. Er hat mich nach dieser Nacht völlig ignoriert und nie wieder ein Wort mit mir gesprochen. Wahrscheinlich hat er das Grab mit Hilfe von jemand anderem geöffnet und damit den Fluch über uns alle gebracht. Es gibt keine andere Erklärung dafür, dass ausgerechnet ich unheilbar krank geworden bin.« Der Botaniker ließ seinen Blick ins Leere gleiten. Einige Sekunden später schüttelte er den Kopf und schaute Morell verwirrt an. »Wie war noch mal gleich Ihr Name?«
     
    Als Morell Zuckermanns Haus verließ, war er voller Zuversicht. Langsam gerieten die Dinge in Bewegung. Nicht mehr lange, dann hätte er genügend Beweismaterial zusammen, um Weber davon zu überzeugen, den Fall noch einmal aufzurollen.
    Bender hatte in der Zwischenzeit zwei weitere Adressen geschickt: die von Ludwig Nagy, dem Insektenforscher, und die von Johannes Meinrad, der als Experte für antike Kunst in einem Auktionshaus arbeitete.
    Ein Blick auf die Uhr verriet Morell, dass es bereits halb acht war – die Zeit war heute wie im Flug vergangen. Er würde sich die beiden Herren morgen Nachmittag zu Gemüte führen. Jetzt würde er nach Hause fahren und sich ein feines, kalorienarmes Abendessen kochen.

»Ihr läugnet mir das nimmer ab,
    denn

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