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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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keiner davon. Weder auf legale noch auf illegale Weise.«
    »Versuchen Sie bitte noch einmal, sich an Syrien zu erinnern. Jedes noch so kleine Detail kann von Bedeutung sein.«
    Uhl wischte sich über die Stirn. »Ich dachte, der Täter sei bereits gefasst worden.«
    »Die Polizei hat geschlampt und den falschen Mann eingesperrt. Es ist darum doppelt wichtig, den wahren Mörder zu fangen. Erstens, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, und zweitens, um einen Unschuldigen zu entlasten.«
    »Ich weiß zwar immer noch nicht, was diese Expedition damit zu tun haben soll, aber ich werde trotzdem noch mal nachdenken und mich bei Ihnen melden, falls mir noch was einfällt. Und bis dahin hilft Ihnen vielleicht das.« Uhl reichte Morell ein kleines Bildchen. »Das ist der Erzengel Michael, der Schutzheilige der Polizisten und Detektive.«
    »Danke.« Der Chefinspektor nahm das Geschenk entgegen und war angenehm überrascht von der Tatsache, dass der Erzengel Michael weder gefoltert noch gemeuchelt wurde. »Einen interessanten Laden haben Sie hier.«
    Uhl lächelte. »Bei mir gibt es Hilfe und Beistand, Hoffnung und Zuversicht. Heilige zum Anfassen und nicht dieses abstrakte Gerede, das die Priester jeden Sonntag zum Besten geben.«
    »Wenn Sie meinen …«, setzte Morell an, als sein Magen laut anfing zu knurren. Verflixte Diät.
    »Entweder Sie beten zur heiligen Walburga, der Patronin gegen Hungersnot, oder Sie gehen in die Bäckerei um die Ecke. Die haben tolle Plundertaschen«, sagte Uhl mit einem Augenzwinkern.
    Morell spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief, und verspürte das dringende Bedürfnis, tatsächlich in die Bäckerei zu stürzen. Er hielt kurz inne – ihm war eine Idee gekommen. Er drehte sich um und musterte noch einmal die Märtyrer-Teller. »Was kostet dieser da?« Er zeigte auf einen Mann, der zwischen zwei mit Nägeln besetzten Tafeln zu Tode gequetscht wurde.
    »Der heilige Daniel von Padua kostet vierzehn Euro.«
    »Gut, den nehme ich.« Morell zückte seine Brieftasche, gab Uhl neben dem Geld auch seine Visitenkarte und betrachtete dann voller Genugtuung seinen Neuerwerb. Er würde ab sofort nur noch von diesem Teller essen. Mit dem Bewusstsein, dass er mit jedem Bissen mehr von den Wunden, Schmerzen und dem gequälten Blick des heiligen Daniel freilegte, würde ihm selbst Frau Horskys Apfelstrudel nicht mehr schmecken. »Idealgewicht, ich komme«, murmelte er und ging zur Tür. »Ach ja, das hätte ich fast vergessen.« Er wandte sich noch einmal an Uhl. »Können Sie sich vielleicht noch erinnern, was Sie in der Nacht von Sonntag auf Montag gemacht haben? Das ist immerhin noch nicht ganz so lange her.«
    Uhl bedachte Morell mit einem vorwurfsvollen Blick. »Ich bin doch wohl nicht verdächtig, oder?«
    »Nein, keine Sorge, die Frage ist reine Routine.«
    Uhl wischte sich noch einmal über die Stirn. »Ich … ähm … ich … war daheim.«
    »Allein?«
    Uhl setzte ein gequältes Grinsen auf. »Leider. Der letzte Damenbesuch ist schon eine Weile her.«
    »Alles klar.« Morell setzte zum Gehen an, hielt aber erneut inne. »Ach ja: Ich soll Ihnen noch schöne Grüße von Ernst Payer ausrichten.«
    Uhl schien erleichtert darüber zu sein, dass die Befragung endlich zu Ende war, und lachte auf. »Den Crazy Ernstl gibt es also auch noch? Was macht er? Wie geht es ihm?«
    Morell musste schmunzeln. Wer war denn hier nun der Verrückte: Uhl oder Payer? »Er ist Professor am Institut für Ur- und Frühgeschichte, brennt seinen eigenen Schnaps und klagt über mangelnde Forschungsgelder.«
    »Richten Sie dem alten Kerl schöne Grüße zurück aus – er soll mal mit einer Flasche Selbstgebranntem vorbeikommen, um über die alten Zeiten zu quatschen. Und Ihnen wünsche ich viel Freude mit dem heiligen Daniel.«
    »Die werde ich haben.« Morell verließ den Laden und betrachtete auf der Straße die Ausbeute seines Besuchs: ein Heiligenbildchen, ein Märtyrer-Teller und ein Mann ohne Alibi, der offensichtlich etwas zu verbergen hatte.

»Ich sehe dieses Elendes kein Ende als das Grab.«
    Johann Wolfgang von Goethe, Die Leiden des jungen Werthers
    Am anderen Ende der Stadt, auf dem Zentralfriedhof, war auch Capelli fleißig bei der Arbeit. Sie hatte einen neuen Fall zugeteilt bekommen und beugte sich nun mit einem Skalpell in der einen und einem Diktiergerät in der anderen Hand über den Seziertisch und betrachtete den Körper, der darauf lag. Es handelte sich um eine sogenannte Wohnungsleiche –

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