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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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wir legten ihn eben ins Grab.«
    Hartmann von Aue, Iwein
    Morell wurde durch das Klingeln seines Handys unsanft aus dem Schlaf gerissen und schielte müde auf die großen, roten Zahlen des Radioweckers: 06:23 Uhr. Wer um alles in der Welt rief denn an einem Samstagmorgen schon so früh an? Es musste sich um einen Notfall handeln. Hoffentlich war nichts Schlimmes in Landau passiert. Er drückte auf ›Annehmen‹, ohne vorher aufs Display zu schauen. »Morell«, meldete er sich.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. »Ähm … ich wollte eigentlich mit Thomas Reiter sprechen, aber anscheinend habe ich mich verwählt.« Es war Sebastian Jedler.
    Morell erstarrte. An die Möglichkeit, dass es jemand aus der Pietät sein könnte, hatte er gar nicht gedacht. So ein dummer Fehler hätte ihm nicht passieren dürfen. Er versuchte sich in Schadensbegrenzung und verstellte seine Stimme so gut wie möglich. »Tjaaa, daaaa haaaben Sie sich wohl verrrwääählt«, sagte er.
    »Entschuldigung.«
    »Kein Prrroblem.« Morell legte auf und atmete tief durch. Jedlers Anruf hatte ihm einen ordentlichen Schreck versetzt, dank dem er nun hellwach war.
    Wenige Sekunden später klingelte das Handy erneut. »Thomas Reiter«, meldete Morell sich dieses Mal mit seiner normalen Stimme.
    »Hallo Tom, hier ist der Basti. Tut mir total leid, dass ich dich schon so früh stören muss, aber hier ist die Hölle los, und wir brauchen dringend deine Hilfe.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Nix Besonderes. Es ist einfach nur einer dieser Tage, an dem die Leute sterben wie die Fliegen. Erst war da dieser fiese Unfall auf der Tangente. Motorrad gegen LKW . Keine schöne Sache …«
    Morell merkte, wie sein Magen sich verkrampfte. »Und was noch?«
    »In dem Altersheim, in dem wir gestern waren, ist schon wieder ein Insasse gestorben – den muss ich abholen, sobald ich mit dem Motorradfahrer fertig bin. Eschener ist mit der Organisation der Novak-Bestattung beschäftigt, und Frau Summer hat gerade einen Selbstmord und danach noch einen Herzinfarkt. Du müsstest dich um das Telefon und die tausend kleinen Dinge, die so anfallen, kümmern.«
     
    Als Morell eine halbe Stunde später in der Pietät ankam, herrschte trotz der frühen Stunde bereits geschäftiges Treiben.
    »Klasse, dass du so schnell kommen konntest!« Jedler klopfte ihm auf die Schulter. »Wie es scheint, schiebt Gevatter Tod heute ordentlich Überstunden. Gerade ist noch ein Todesfall reingekommen. Kannst du das bitte erledigen?« Er reichte Morell eine Liste. »Es geht um ein paar Blumengestecke, ein kurzes Gespräch mit dem Organisten, zwei Todesanzeigen und eine Parte.«
    Morell nickte. Die Blumen, den Organisten und die Anzeigen würde er hinkriegen, aber das letzte? »Hilf mir kurz auf die Sprünge. Was war gleich noch mal eine Parte?«
    Jedler schaute ihn argwöhnisch an. »Hast du bei Somnus nie Partezettel machen müssen?«
    »Doch, aber das ist ja schon ein bisschen her.« Morell merkte, wie er rot wurde. Lügen war und blieb einfach eine seiner größten Schwächen.
    »Das Wort Parte kommt vom französischen ›faire part‹, was auf gut Deutsch so viel wie ›mitteilen‹ heißt. Es wird darauf nämlich mitgeteilt, dass jemand gestorben ist. Du kannst dir die Parte wie einen Flyer vorstellen, der in verschiedenen Schaukästen aufgehängt und an Verwandte und Bekannte des Toten geschickt wird.«
    »Ach so, du meinst einen Totenzettel.«
    Jedler nickte. »Bei uns in Wien heißt das Parte.« Er kniff die Augen zusammen und musterte sein Gegenüber kritisch. »Wie auch immer – ich mache mich dann mal an die Arbeit. Es scheint heute ein recht sterbeintensiver Tag zu werden.«
    »Alles klar«, murmelte Morell und hoffte, dass dies das letzte Fettnäpfchen für heute gewesen war.
     
    Die Mitarbeiter der Pietät waren nicht die Einzigen, die schon in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen waren. Auch die Wiener Polizei nahm keine Rücksicht auf Wochenenden, Uhrzeiten oder den Schlafrythmus ihrer Beamten.
    Chefinspektor Roman Weber war bereits gegen fünf Uhr morgens in eine Bar gerufen worden, in der eine Messerstecherei stattgefunden hatte, und befand sich nun auf dem Weg zurück ins Kriminalamt, wo ein Haufen Papierkram auf ihn wartete.
    »Was für ein Mist«, sagte er zu seinem Kollegen Theo Wojnar, der neben ihm auf dem Beifahrersitz saß. »Können sich diese besoffenen Idioten nicht zu einer halbwegs menschlichen Zeit die Bäuche aufschlitzen?« Da er ein bisschen

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