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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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so sehr abgelenkt, dass er Valerie völlig vergessen hatte. Nun schmerzte die plötzliche Erinnerung umso heftiger. »Könnte ich jetzt bitte mit Ihrem Vater sprechen?«, bat er schnell.
    »Wie Sie wollen. Er ist hinten im Gewächshaus. Folgen Sie mir bitte.«
    Sie gingen am Haus und an gepflegten Blumenbeeten vorbei und gelangten zur Terrasse auf der Rückseite der Villa, hinter der sich ein riesiger Garten erstreckte.
    »Wissen Sie, was das Schlimmste an der ganzen Sache ist?«, fragte Zuckermann junior, als er Morell in den Garten führte. »Seit ich denken kann, hat mein Vater immer penibel auf seine Gesundheit geachtet. Er trieb täglich Sport, hat sich gesund ernährt und weder geraucht noch getrunken. Er ist vor einem Monat achtundsechzig Jahre alt geworden und hat noch immer den Körper eines jungen Mannes. Und jetzt? Jetzt muss er erleben, wie sein Geist ihn immer mehr im Stich lässt. Es ist wirklich zum Heulen.«
    Morell nickte. »Kein Wunder, dass er zornig ist. Ich zumindest wäre es.«
    »Dann viel Glück«, sagte der junge Zuckermann, als sie vor dem Gewächshaus angekommen waren. »Bitte klopfen Sie kurz an die Terrassentür, wenn Sie hier fertig sind. Ich begleite Sie dann wieder hinaus.« Er drehte sich um und ging zurück ins Haus. Hannah blickte dabei über die Schulter ihres Vaters und winkte dem Chefinspektor verstohlen zu.
    Morell öffnete die Glastür und war schier überwältigt von der Pracht, die sich ihm bot. Wohin er auch blickte, blühten Rosen, Orchideen und seltene exotische Pflanzen, deren Duft süß und aromatisch in der Luft hing. Kostbare Blumen und edle Züchtungen strahlten in allen nur erdenklichen Farben und ließen sein Herz aufgehen.
    »Bist du das, Gregor?« Ein athletisch gebauter Mann mit vollem, grauem Haar und einem beinahe faltenfreien Gesicht kam auf ihn zu. Sein Sohn hatte nicht übertrieben – Friedrich Zuckermann sah tatsächlich keinen Tag älter als Mitte fünfzig aus. Kaum zu glauben, dass er bereits achtundsechzig Jahre alt sein sollte. »Sag deinem Gschropp, dass es gefälligst nicht mehr in meinem Gewächshaus spielen soll. Ich kann schon wieder meine Gartenschere nicht finden.«
    »Meinen Sie etwa diese hier?« Morell bückte sich, hob die Schere, die mitten auf dem Weg lag, auf und reichte sie Zuckermann.
    Dieser riss sie ihm aus der Hand. »Und jetzt sag deiner Mutter, dass ich Hunger habe.« Er drehte sich um und machte sich daran, einige Rosen abzuschneiden.
    »Ich bin nicht Ihr Sohn, Herr Zuckermann. Mein Name ist Otto Morell, und ich habe ein paar Fragen an Sie.«
    Zuckermann drehte sich um und musterte ihn misstrauisch. Langsam schien es ihm zu dämmern, dass der Mann, der da vor ihm stand, tatsächlich nicht sein Sohn war. »Wer sind Sie, und was tun Sie hier in meinem Gewächshaus? Ich mag es nicht, wenn fremde Leute meine Blumen anfassen, also gehen Sie gefälligst.«
    »Mein Name ist Otto Morell, und ich habe …«
    »Hauen Sie ab! Sie bringen hier nur alles durcheinander und machen meine Pflanzen kaputt.« Er fuchtelte mit der Gartenschere herum und drängte den Chefinspektor in Richtung Tür. Dabei trat er beinahe in ein Blumenbeet.
    »Vorsicht«, rief Morell. »Passen Sie auf Ihre Aurikel auf. Es wäre schade, wenn Sie sie versehentlich ruinieren würden.« Er schaute genauer hin und riss die Augen auf. »Sind das etwa Lady Daresburies?«
    Dass der Eindringling die seltene Blume erkannt hatte, schien Zuckermann anscheinend zu besänftigen. Er blieb jedenfalls stehen und zog eine Augenbraue hoch. »Sie kennen sich mit Pflanzen aus?«
    »Ein wenig. Ich habe selbst ein Glashaus und züchte darin Blumen. Zwar nicht so professionell wie Sie hier, aber ja – ich wage zu behaupten, dass ich mich auskenne.«
    Zuckermann war mit einem Schlag wie verwandelt. Ein Lächeln trat auf sein Gesicht, und er fasste Morell kollegial an der Schulter. »Kommen Sie, Sie müssen sich unbedingt meine Laelia superbiens ansehen. Sie werden begeistert sein.«
    Der Botaniker hatte nicht zu viel versprochen – Morell war tatsächlich schwer beeindruckt von der Orchidee. »Fantastisch«, murmelte er und bestaunte die zarten Blüten, die in einem leuchtenden Rot erstrahlten. »Wie haben Sie es nur hingekriegt, dass sie so hoch gewachsen ist?«
    »Tja, das würden Sie gerne wissen, aber es bleibt mein Geheimnis«, zwinkerte Zuckermann und legte dann die Stirn in Falten. »Wie war noch mal gleich Ihr Name?«
    »Mein Name ist Otto Morell, und ich bin hier, weil ich ein

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