Zu Grabe
die Gunst der heiligen Margareta zu erkaufen.
Nach dieser überraschenden Einsicht öffnete Capelli als Nächstes den Aktenschrank, und – Bingo – da stand das Objekt ihrer Begierde. Gerade als sie ihre Beute aus dem Schrank nehmen wollte, hörte sie ein Geräusch aus dem Flur.
»Noch einmal kannst du mich nicht so erschrecken, du Satansbraten«, murmelte sie und zuckte zusammen, als sie bemerkte, dass die Katze nicht draußen war, sondern neben ihr auf einem Stuhl saß und sie neugierig musterte. »Mist«, fluchte sie leise – diesmal war es kein falscher Alarm. Diesmal war tatsächlich jemand im Haus.
»Na, mein kleiner Petrus, wo bist du denn?« Es war Stimpfl. »Komm, mein Kleiner! Ich habe dir ein feines Fressi mitgebracht.« Die Stimme kam näher.
Capelli sah nur einen Ausweg – Flucht. Sie packte die Katze, trug sie zur Tür und schob das irritierte Tier langsam auf den Flur, damit Stimpfl nicht weitersuchen musste. Anschließend griff sie sich die Schachtel, kletterte auf den Schreibtisch, öffnete das Fenster und sprang hinaus. Ohne sich umzublicken, rannte sie zum Auto, warf ihre Beute hinein, startete den Wagen und stieg aufs Gas.
Erst daheim schaffte sie es, sich zu beruhigen. Sie schälte sich aus dem Blaumann, zupfte ein paar Staubflocken aus ihrem Haar, setzte sich an den Küchentisch und begutachtete die Schachtel. »Bitte mach, dass ich darin etwas finde, was Leanders Unschuld beweisen kann«, flüsterte sie und hob den Deckel.
»Stellt euch nicht krank, sonst werdet ihr krank,
und grabt euch nicht euer Grab, sonst sterbt ihr.«
Mohammed
Morell hatte mit viel Einfühlungsvermögen und salbungsvollen Worten die Todesanzeigen und die Parte geschrieben, ein wunderschönes Blumengesteck zusammengestellt und sich dann von dem Organisten ein paar interessante Fakten über Trauermusik erzählen lassen. Alles hatte wie am Schnürchen geklappt, und er hatte sich sogar ein paar Mal dabei ertappt, dass er Spaß an der Arbeit hatte.
Abgesehen von Webers dubiosem Auftauchen und dem unfreiwilligen Aufenthalt in einem miefigen Sarg, war der Tag bisher äußerst zufriedenstellend verlaufen – er hatte gute Arbeit geleistet, und was noch viel wichtiger war: Er hatte die Bestätigung erhalten, dass Eschener und Jedler etwas mit dem Verschwinden von Benedikt Horsky zu tun hatten. Jetzt musste er nur noch herausfinden, was genau die beiden mit dem armen Kerl angestellt hatten und warum.
Morell rieb sich die rechte Wange, die schon seit geraumer Zeit leicht juckte. Wahrscheinlich hatte ihn eine Mücke gestochen – er war schon immer das bevorzugte Opfer aller möglichen Insekten gewesen. Wenn irgendwo im Umkreis von zehn Kilometern ein stechwütiger Blutsauger auf der Suche nach seinem nächsten Opfer war, konnte man davon ausgehen, dass er am Ende bei ihm landete.
»Du hast halt süßes Blut, mein Süßer«, hatte Valerie immer gesagt, während sie lachend die kribbelnden Schwellungen mit kühlendem Mentholgel eingerieben hatte.
Er verdrängte die schmerzhafte Erinnerung an seine Exfreundin und ermahnte sich selbst, die Finger von der juckenden Stelle zu lassen. »Dadurch wird alles nur schlimmer«, sagte er und konzentrierte sich wieder auf den Fall. Ob Frau Summer wohl vertrauenswürdig war?
Just in dem Moment, als er an sie gedacht hatte, kam die fröhliche Dame auch schon um die Ecke gebogen. »Ihre Todesanzeigen sind wirklich sehr schön geworden, und das Blumenarrangement ist einfach …«, sie hielt inne und rückte ihre Brille zurecht. »Was haben Sie denn da im Gesicht? Hat Sie was gestochen?«
Morell nickte. »Ich bin ein richtiger Mückenmagnet.«
»O je, das sieht ja schlimm aus, Sie Ärmster. Die Viecher werden wirklich jedes Jahr aggressiver – als meine Nichte im Juli aus dem Ferienlager zurückkam, sah sie aus, als hätte sie die Beulenpest.« Frau Summer begutachtete noch einmal Morells Wange. »Am besten Sie raspeln eine Kartoffel, vermischen sie mit kleingehackten Zwiebeln und einem Schuss Essig und schmieren das auf den Stich – Sie werden sehen, das wirkt wahre Wunder.«
Wenn ich einen Sitzplatz in der U-Bahn möchte, auf jeden Fall, dachte Morell. »Danke für den Tipp«, sagte er und überreichte Frau Summer die Parte. »Bitte schön, ich bin gerade damit fertig geworden. Was kann ich sonst noch tun?«
»Ich glaube, Sie können Feierabend machen. Immerhin ist Wochenende, und Sie müssen ja noch zur Polizei gehen und Ihre Aussage wegen des gestohlenen Autos
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