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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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machen.«
    Morell war enttäuscht – jetzt, wo er wusste, dass irgendwo in diesem Bestattungsunternehmen der Schlüssel zu Benedikt Horskys Verschwinden lag, hätte er gerne noch ein wenig herumgeschnüffelt. »Es ist kein Problem für mich, Ihnen noch ein bisschen zu helfen. Zur Polizei kann ich auch später noch gehen.«
    »Das ist lieb von Ihnen.« Frau Summer tätschelte Morells Hand. »Aber ich glaube, wir schaffen es jetzt auch ohne Sie. Außerdem sollten Sie die Polizei nicht warten lassen. Dieser Herr Weber sah so aus, als würde er keinen Spaß verstehen. Also ab mit Ihnen in ein wohlverdientes Wochenende!«
     
    Dass Weber tatsächlich keinen Spaß verstand, wurde Morell wieder einmal klar vor Augen geführt, als er draußen die Nachricht auf seiner Mobilbox abrief: »Hallo, Otto, oder soll ich lieber Herr Reiter sagen?«, grollte die Stimme seines Exkollegen. Morell konnte ihn direkt vor sich sehen: das Gesicht vor lauter Erregung gerötet, die kleinen Schweinsäuglein ärgerlich zusammengekniffen und die Stirn in Zornesfalten gelegt. »Hier spricht Roman Weber, und wenn ich mich nicht täusche, dann habe ich dir am Dienstag klipp und klar gesagt, dass du dich gefälligst aus meinen Angelegenheiten raushalten sollst. Lass dir eines gesagt sein – heute hattest du noch einmal Glück, aber früher oder später werde ich dich erwischen und wegen Behinderung und Sabotage einer polizeilichen Ermittlung drankriegen. Das wird dich deine Marke kosten!« Ein lauter Piepton zeigte das Ende der Nachricht an.
    »Kruzifix!« Morell versuchte, die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Da hatte er sich ganz schön viel Ärger eingebrockt. Er musste so schnell wie möglich Beweise für Lorentz’ Unschuld sammeln, damit er Weber den Wind aus den Segeln nehmen konnte. »Auf zu Ludwig Nagy!«
     
    Der Entomologe lebte am Stadtrand in einem kleinen, weißgetünchten Fuhrwerkshaus, das nicht ganz so luxuriös und geräumig wie die Villen von Novak und Zuckermann war, aber nichtsdestotrotz sehr reizend wirkte.
    Während Morell auf die Klingel drückte, schickte er schnell ein Stoßgebet nach oben, in dem er darum bat, dass Nagy mehr wusste als Uhl und Zuckermann und auch bereit war, sein Wissen mit ihm zu teilen – immerhin hingen mittlerweile nicht mehr nur Lorentz’ Freiheit und Capellis Glück an der Lösung des Falls, sondern auch sein Job.
    Es dauerte ein paar Augenblicke, bis eine rundliche, etwa 50-jährige Frau die Tür öffnete. Sie trug Jeans und ein grell gemustertes Top und hatte ihre grauen Haare straff nach hinten gebunden.
    »Bitte schön?!«
    »Grüß Gott«, sagte Morell. »Ich würde gern mit Herrn Nagy sprechen. Ist er da?«
    »Ja, er ist hier. Worum geht es denn, wenn ich fragen darf?« Sie musterte ihn kritisch von oben bis unten.
    »Es geht …«
    »Es geht um Insekten. Richtig?«, unterbrach sie ihn. »Sie wollen wissen, was Sie da gestochen hat.«
    Automatisch griff Morell an die juckende Stelle. »Ist es so übel?«
    »Nicht anfassen«, ermahnte sie ihn. »Das macht alles nur noch schlimmer.« Sie rümpfte die Nase. »Ich hasse diese grauslichen, unhygienischen Krabbelviecher. Die hocken erst auf sonst was herum, und dann stechen sie einen. Kein Wunder, wenn dann so was passiert.« Sie zeigte auf seine Wange. »Kommen Sie!«
    Morell machte einen Schritt nach vorn, musste aber mitten in der Bewegung abbremsen. Anstatt ins Haus hineinzugehen, war die Frau, von der er annahm, dass sie Nagys Haushälterin war, nämlich einfach in der Tür stehen geblieben und starrte gebannt auf die Schwelle. Morell wartete, dass sie damit aufhörte, aber sie blieb wie angewurzelt stehen und rührte sich keinen Millimeter. »Alles okay mit Ihnen? Haben Sie etwas verloren?«, fragte er. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Sie antwortete nicht, sondern schüttelte nur den Kopf. »Da!«, rief sie plötzlich und zeigte aufgeregt auf eine Stelle neben Morells rechtem Schuh. »Ich habe gerade das ganze Haus blitzblank geputzt. Diese widerlichen Viecher kommen mir hier nicht rein.«
    Er blickte nach unten. »Ach, das sind nur ein paar Ameisen. Die sind ganz harmlos und sicher nicht unhygienisch.«
    »Von wegen!« Noch bevor Morell etwas einwenden konnte, hatte die resolute Haushälterin ihn beiseitegeschoben und die drei kleinen Tierchen mit ihren Birkenstockschlapfen in die ewigen Zuckerdosen befördert.
    Morell, der das grausame Schauspiel mit offenem Mund beobachtet hatte, starrte erschrocken auf die drei schwarzen Pünktchen,

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