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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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die nun auf den Steinen klebten.
    »Sie haben doch wohl nicht etwa Mitleid?«, fragte die Haushälterin. »Sie sind doch selber ein Opfer von denen.« Sie deutete auf sein Gesicht, runzelte die Stirn und winkte ihn ins Haus, das wirklich erstaunlich sauber war. Alles blitzte und glänzte, kein Staubkorn trübte die keimfreie Reinheit, und die Luft war erfüllt von einer Mischung aus Zitrone, Chlor und Möbelpolitur.
    Das Erste, was Morell drinnen tat, war, einen Blick in den blankpolierten Spiegel, der neben der Garderobe hing, zu werfen. Tatsächlich hatte er einen leuchtend roten, beinahe handtellergroßen Fleck auf seiner Wange. »Oh«, sagte er erschrocken. »Das sieht ja schlimmer aus, als ich dachte.«
    »Unhygienisch. Sag ich doch.« Sie schüttelte verächtlich den Kopf und führte Morell über eine schmale, frischgebohnerte Holztreppe in den ersten Stock. Dort deutete sie auf eine Tür. »Warten Sie bitte da drinnen. Ich sage dem Herrn Professor Bescheid, dass Besuch da ist.«
    Morell öffnete die Tür, auf die die energische Haushälterin eben gezeigt hatte, betrat das Zimmer und wäre beinahe wieder rückwärts hinausgestolpert: Der Raum war ungefähr 30 Quadratmeter groß, vier Meter hoch, mit schönem, dunkelbraunem Fischgrätparkett ausgelegt, besaß einen herrlichen offenen Kamin, einen französischen Balkon und eine alte Standuhr, deren monotones Ticktack das ganze Zimmer ausfüllte. So weit, so gut – was Morell aber die Haare zu Berge stehen ließ, waren die Wände. Vom Boden bis zur Decke waren sie mit kleinen Glasschaukästen bestückt, in denen sich insgesamt Hunderte oder vielleicht sogar Tausende von Insekten befanden. In allen Größen, Formen und Farben hingen sie da und starrten den Eindringling mit ihren Facettenaugen an.
    Morell setzte sich widerstrebend auf ein Chesterfield-Sofa und versuchte, sich nicht zu kratzen. Der Anblick all dieser Krabbeltiere hatte dazu geführt, dass es ihn jetzt nicht mehr nur im Gesicht, sondern überall am ganzen Körper juckte.
    Nach ungefähr fünf Minuten ging die Tür auf, aber es war nicht Nagy, sondern seine Haushälterin, die hereinkam. »Hier«, sagte sie und hielt ihm einen Teller, auf dem sich eine übelriechende Paste befand, unter die Nase, »Kartoffeln, Zwiebeln und Essig – etwas Besseres gibt es nicht.«
    Noch bevor Morell etwas einwenden konnte, nahm sie mit den Fingern etwas von der gelblich braunen Masse und patschte ihm einen Batzen auf die Wange.
    Er protestierte, doch die Haushälterin ignorierte ihn einfach und drückte ihm eine weiße, gestärkte Serviette in die Hand. »Versuchen Sie, die Couch nicht vollzukleckern«, sagte sie und verschwand wieder.
    Einige Augenblicke später betrat Ludwig Nagy endlich den Raum. Er hatte schütteres, graues Haar, das in langen Strähnen über seine Ohren fiel, und dicke, buschige Augenbrauen. Er ging leicht gebeugt, wobei seine breiten Schultern so weit hochgezogen waren, dass man seinen Hals nur noch erahnen konnte. Die muskulösen Arme hielt er leicht angewinkelt vor seinem Oberkörper, was dazu führte, dass er in Morells Augen wie eine überdimensional große Heuschrecke aussah – es schien fast so, als hätte er sich im Laufe der Jahre optisch an seine Studienobjekte angepasst.
    »Sie haben also schon Bekanntschaft mit einem von Frau Felders Hausmitteln gemacht«, sagte er und deutete auf das Essig-Zwiebel-Kartoffel-Gemisch in Morells Gesicht. »Sie ist eine furchtbare Nervensäge, aber bedauerlicherweise bin ich ohne sie völlig aufgeschmissen, sonst hätte ich sie schon vor Jahren gefeuert.«
    Morell nickte. Das Zeug auf seiner Backe stank wie die Pest, aber er musste zugeben, dass das Brennen und Jucken besser geworden waren.
    »Frau Felder sagte, Sie wären von irgendeinem«, Nagy malte Gänsefüßchen in die Luft, »dieser unhygienischen Dinger gestochen worden und wüssten nicht, was es war. Lassen Sie mal sehen.« Er nahm die Stoffserviette, wischte die Paste beiseite und begutachtete die gerötete Stelle. »Hmmm«, grübelte er und beugte sich noch näher an Morells Gesicht.
    »Eigentlich bin ich hier, um mit Ihnen über den Mord an Vitus Novak zu reden.«
    Nagy wich zurück, warf die dreckige Serviette achtlos auf den glänzenden Parkettboden, drehte Morell den Rücken zu und betrachtete einen kleinen Schaukasten, in dem sich ein großer, gehörnter Käfer befand. »Ich habe davon gehört. Sind Sie von der Polizei?«
    Morell überlegte kurz. Da Weber nun ja leider über seine

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