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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Leichensack lag, zurück. »Sag guten Tag zu Frau Liebermann.« Mit diesen Worten öffnete Jedler schwungvoll den Sack und gab den Blick auf eine bleiche, faltige, alte Dame frei.
    Morell starrte auf den Boden und hielt die Luft an. »Und was machen wir jetzt mit ihr?«, fragte er leise.
    »Die gute Frau Liebermann kriegt das Standardprogramm verpasst. Wir werden sie waschen, ihr einen Talar anziehen, sie schminken, frisieren und dann in ihren Sarg betten.« Er zog den Leichensack unter der Toten weg und legte ihn zur Seite. Der Leichnam lag nun blass und nackt auf dem Edelstahltisch.
    Morell konnte und wollte nicht hinsehen. »Ich kann schon mal den Sarg holen, wenn du willst. Du kannst derweil ja schon mit dem Waschen anfangen.«
    »Ist gut, von mir aus.« Jedler zog sich einen grünen Kittel an und schaute auf ein Klemmbrett. »Unsere Frau Liebermann wird die Ewigkeit in einem rustikalen Eichenholzpyjama mit geschnitzter Palmverzierung verbringen. Wir haben davon noch einen oder zwei im Lager stehen.«
    »Gut, ich hol einen her.« Morell verließ im Laufschritt den Thanatopraxieraum, rannte ins Lager, schloss die Tür hinter sich und holte erst mal tief Luft. »Super«, murmelte er dann und lächelte. Er hatte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er war Frau Liebermann entkommen und hatte sich eine Gelegenheit verschafft, Proben zu entnehmen.
    »Okay. Wo fange ich an?« Morell zog die Utensilien, die er von Capelli erhalten hatte, aus der Innentasche seiner Jacke und schaute sich um. Als Erstes ging er zum Modell Kennedy und schnitt vorsichtig ein winziges Stück aus dem Innenfutter heraus. Nachdem er das kleine Stoffstück sorgfältig in einem Plastikdöschen verstaut hatte, zupfte er die Innenausstattung so zurecht, dass man seinen Eingriff nicht mehr sehen konnte, schloss leise den schweren Metalldeckel und wandte sich dann den Totenhemden zu. Er kramte eines von ganz unten aus einer Schachtel heraus und schnitt auch hier ein kleines Stückchen aus dem Stoff. Anschließend schabte er etwas Holz von verschiedenen Sargmodellen und kratzte ein paar Späne von diversen Urnen ab. Nachdem er sämtliche Proben akribisch eingepackt und beschriftet hatte, verstaute er sie in seiner Jackentasche und machte sich dann auf die Suche nach dem richtigen Sarg für Frau Liebermann. Er fand das benötigte Modell recht schnell, trödelte dann aber extra lange herum – er fühlte sich im Lager zwar nicht sonderlich wohl, aber im Vergleich zum Thanatopraxieraum war es hier um Welten angenehmer.
    Es schien so, als wäre seine Strategie aufgegangen. Als er den Sarg in den Thanatopraxieraum karrte, war Jedler bereits mit dem Waschen und Ankleiden fertig.
    »Da bist du ja. Ich hatte schon befürchtet, du tauchst heute gar nicht mehr auf.« Jedler bedachte Morell mit einem vorwurfsvollen Blick und holte dann einen großen Plastikkoffer aus einem Regal.
    »Tut mir leid«, antwortete Morell. Da er die Tote nicht anschauen wollte, schnappte er sich ein Wattestäbchen und fing an, die Schnitzereien des Sarges von Staub zu reinigen. »Ich kenn mich im Lager noch nicht so gut aus und musste mich erst mal durch alle möglichen Sargmodelle kämpfen, bis ich das richtige gefunden habe.«
    »Schon in Ordnung«, nickte Jedler. »In ein paar Wochen bist du ein Profi und findest alles blind.« Er öffnete den Koffer, der sehr zu Morells Erleichterung keine Foltergeräte, sondern Schminkutensilien enthielt. »So, dann werden wir mal dafür sorgen, dass unsere Lady hier an ihrem großen Tag auch ordentlich was hermacht.« Jedler nahm ein kleines, beiges Schwämmchen und tunkte es in irgendeine streng riechende, hautfarbene Paste. »Ich bin richtig gut im Schminken und Frisieren. Die frischgebackenen Grabbewohner sehen nach meiner Behandlung oft besser aus als zu Lebzeiten.« Er griff nach einem Pinsel. »Pfirsich oder Himbeer?«
    »Wie bitte?«
    »Passt zu ihrem Teint eher ein rosa- oder ein orangestichiger Rouge-Ton?«
    »Um ehrlich zu sein, bin ich nicht sehr gut in solchen Dingen.« Morell zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, ich kann mich oben nützlicher machen als hier unten.«
    »Wie um alles in der Welt hast du es so lange bei Somnus ausgehalten, wenn du so eine große Abneigung gegen tote Menschen hast?« Jedler überlegte kurz. »Von mir aus. Aber das nächste Mal kommst du mir nicht so einfach davon, dann hilfst du mir beim Waschen und Anziehen.«
    Den letzten Teil des Satzes hatte Morell nicht mehr gehört, weil er bereits zur

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