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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Tür hinaus und auf dem Weg nach oben war. Er ging zurück in den Empfangsraum und fing dort an, ein Gesteck aus Trockenblumen neu zu arrangieren. Tote Blumen waren zwar überhaupt nicht nach seinem Geschmack – aber sie waren immerhin besser als tote Menschen.
    »Sind Sie unten schon fertig?« Eschener betrachtete Morells Werk und nickte anerkennend.
    »So gut wie. Herr Jedler hat gemeint, ich solle mich lieber hier oben nützlich machen«, log Morell.
    »Wunderbar. Ich kann Sie nämlich gut gebrauchen.« Eschener reichte Morell einen Zettel. »Ich habe hier eine Liste mit Frau Novaks Blumenwünschen gemacht. Sie will vor allem weiße Callas und Lilien. Alles soll sehr gediegen wirken. Viel Weiß, viel Grün und eventuell ein paar violette Farbtupfer, am liebsten mit Orchideen.«
    »Wow, das wird teuer werden.«
    »Geld spielt keine Rolle.« Eschener lächelte selig und spielte an seinen Manschettenknöpfen herum.
    »Ich mache mich dann gleich auf den Weg zum Floristen.« Morell war froh, dass seine nächste Aufgabe eine angenehme war.
    »Der Florist und die Blumen können noch kurz warten.« Eschener schaute auf seine Uhr. »Ich komme gerade eben von einer Trauerfamilie und habe dort einen Verstorbenen abgeholt. Wären Sie bitte so nett und bringen Herrn Frey aus dem Leichenwagen in die Kühlkammer? Herr Jedler und Frau Summer sind beschäftigt, und ich muss zu einem Termin.«
    Morells Begeisterung von vorhin war mit einem Schlag verflogen. Da er sich keine Blöße geben wollte, nickte er, legte die Liste beiseite und machte sich auf in den Keller.
    Vor dem Thanatopraxieraum hielt er kurz inne, nahm einen tiefen Atemzug und öffnete dann die Tür. Jedler, der gerade die Haare von Frau Liebermann mit Glanzspray besprühte, trällerte lautstark vor sich hin: »Steh auf, wenn du Rapid-Fan bist. Steh auf, wenn du Rapid-Fan bist …« Er war offensichtlich ein Anhänger des Fußball-Clubs Rapid Wien. Frau Liebermann, die anscheinend kein großer Fan war, blieb liegen.
    Morell räusperte sich. »Sorry, aber ich bräuchte kurz deine Hilfe.«
    »Ja? Wozu denn?«
    »Ich muss einen alten Herrn aus dem Leichenwagen in die Kühlkammer bringen.«
    Jedler hob seine Hände, die voller Make-up, Haarspray und anderen Dingen waren, von denen Morell lieber nicht wissen wollte, worum es sich handelte. »Ich muss dringend Frau Liebermann fertig machen – sie muss nämlich in zwanzig Minuten in der Kirche sein. Außerdem schaffst du das auch ohne Probleme allein. Du musst nur die Fahrtrage herausziehen, die Räder ausklappen und das Ganze dann in die Kühlkammer schieben. Das geht schon.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Frau Liebermann zu. »Meinen Körper vermache ich der Medizin, nur meinen Arsch bekommt’s Finanzamt Wien«, sang er leise, während Morell missmutig die Tür hinter sich schloss.
    Jedler hatte recht gehabt: Rein theoretisch war es überhaupt kein Problem, den Leichnam, der in graue Kunststoffplanen gehüllt war, alleine aus dem Wagen zu ziehen und aus der Garage zu schieben. Praktisch gesehen war es Morell aber trotzdem unangenehm. Er würde so wenig Zeit wie möglich mit dem Toten verbringen – die sterblichen Überreste des alten Herrn einfach vorne in der Kühlkammer einparken, nach oben sausen und sich dann beim Floristen erholen.
    Leider stellte sich die Aufgabe als nicht ganz so leicht heraus. Vorne war nämlich kein Platz für die Bahre, und er musste nach hinten fahren. Er beeilte sich. Je schneller er das hier erledigte, desto schneller konnte er zu den Blumen gehen und anschließend die Proben auswerten lassen.
    Da hörte er, wie die schwere Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

»Was Menschen Übles tun, das überlebt sie.
    Das Gute wird mit ihnen oft begraben.«
    William Shakespeare, Julius Cäsar
    Er zündete sich erneut eine Zigarette an – es war schon komisch, wie schnell sein Körper sich wieder an die Zufuhr von Nikotin gewöhnt hatte. »Was für eine Scheiße«, ärgerte er sich zum tausendsten Mal über das, was bei Meinrad geschehen war.
    Er konnte sich gar nicht entscheiden, auf wen er wütender sein sollte. Auf Meinrad? Weil der dumme Kerl ihm nicht gesagt hatte, was er wissen wollte. Oder auf sich selbst? Weil er sich nicht ordentlich vorbereitet und nicht gut genug aufgepasst hatte.
    Er nahm einen tiefen Zug und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Die vielen wirren Gedanken, die durch sein Hirn schossen, machten ihn noch ganz wahnsinnig. Er musste aufhören, das

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