Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
ihre Mundwinkel, als sie eine Dose Suppe und einen Topf aus einem Schrank hervorzog. Sein verbliebener Humor bedeutete hoffentlich, dass er keine zu großen Schmerzen litt. Seit Tagen hatte er sich nämlich stur geweigert, Schmerzmittel zu nehmen. Ihn so leiden zu sehen war ihr fast unerträglich gewesen. Sie betrachtete die Pillendose auf dem schmalen Küchentresen. Sie könnte ihm ja eine Pille in die Suppe geben. So würde er in der Nacht gut schlafen.
»Denk nicht mal dran«, sagte er. Er stand in der offenen Tür, hielt sich mit der einen Hand am Türrahmen fest, unter der anderen Armbeuge steckte eine Krücke. Er war blass, nein, grün im Gesicht.
Sie lief zu ihm hin und führte ihn rückwärts zum Bett. »Leg dich hin.«
»Ich hab’s satt, immer zu liegen.«
»Pass auf, sonst werd ich grob.« Sie half ihm, dass er sich ausstrecken konnte, doch als sie ihn allein lassen wollte, ergriff er ihre Hand.
»Bleib.«
»Na gut, ich räume nur noch auf …«
»Bleib«, murmelte er unbeirrt, packte sie am Handgelenk und zog sie zu sich herab. »Und glaube nur nicht, ich hätte vergessen, dass du mir eine Gutenachtgeschichte schuldest. Du wolltest mir erzählen, was sich zwischen uns verändert hat. Klingt faszinierend.«
»Joe …« Sie berührte ganz leicht seine Brust, woraufhin er wohlig seufzte.
»Fühlt sich gut an.« Er hatte ihre andere Hand noch immer nicht losgelassen, hielt sie aber sanfter. »Wirklich gut. Also, was hat sich verändert?«
Lieber Himmel, er konnte aber auch wirklich nur an das eine denken. »Okay, vielleicht mag ich dich mehr, als ich geglaubt habe.«
Er schloss die Augen, lächelte.
»Lächle nicht. Ich mag es nicht, dich mehr zu mögen, als ich geglaubt habe.«
»Dafür kannst du nichts, ich bin eben unwiderstehlich.« Er hatte das Gefühl, wider Willen einzuschlafen. »Geh nicht.«
»Tu ich nicht«, versprach sie, seufzte noch einmal erschöpft und wurde dann still. »Tu ich nicht.«
23
Alle kümmerten sich abwechselnd um Joe. Tina, Camille, Kenny, ein paar andere Kollegen und Summer, bis er sie alle zwei Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus hinauswarf.
Er kam auch ohne fremde Hilfe zurecht. Ohne die geringste Mühe. Um das zu beweisen, steckte er den verbundenen Fuß in einen Plastikmüllbeutel, befestigte diesen mit einem Klebeband und stieg unter die Dusche. Zittrig, aber entschlossen seifte er sich ein, bis er sich setzen musste, weil die Schmerzen zu groß waren.
Er musste auf allen vieren aus der Duschkabine kriechen und sich auf dem Boden hockend das Haar föhnen. Als die Schmerzen nachgelassen hatte, rief er Kenny an. »Fahr mich ins Büro, ich muss mir die Akten ansehen.«
»Du hast sie schon hundertmal gelesen. Von vorne bis hinten. Es hat sich nichts verändert.«
»Ich habe über den Lagerhausbrand von damals nachgedacht. Man hat nie irgendwelche Indizien gefunden. Der Bereich, wo das Feuer ausgebrochen ist, war das Erdgeschoss.«
»Und …?«
»… ich war dort«, sagte Joe. »Sicher, ich war noch ein Junge, aber ich erinnere mich noch genau. Das Feuer hatte sich verdammt schnell ausgebreitet. Obwohl es lediglich von einem Stapel Pappkartons ausgegangen war.«
»Die sind ziemlich leicht entflammbar.«
»Stimmt. Aber nicht genug. Man hat einen Brandbeschleuniger benutzt, muss einen benutzt haben. Er ist nur nicht entdeckt worden.«
»Na gut, es hat da also einen Brandbeschleuniger gegeben«, sagte Kenny vernünftig. »Nehmen wir einmal an, es war Benzin, wie bei den beiden folgenden Bränden.«
»Genau.«
»Aber wir haben das doch schon alles besprochen. Das würde praktisch jeden freisprechen, bis auf … Scheiße .«
Weil Braden nicht mehr für sie arbeitete, brauchte »Creative Interiors« Hilfe bei der Buchführung. Summer hatte bei ihrem Arbeitgeber, dem Reiseveranstalter, einige Erfahrungen gesammelt, weil sie in der Vor- und Nachsaison in dessen Büro in San Francisco ausgeholfen hatte. Sie nahm an, dass sie zumindest die Einnahmen und Forderungen verbuchen könnte.
Camille war eine selbsternannte Computer-Analphabetin, deshalb war jede Hilfe willkommen. Seltsamerweise war Summers Mutter in den letzten beiden Tagen ziemlich schweigsam gewesen und machte ständig eine Kummermiene, die verdächtig Kennys ähnelte. Aber als Summer sie darauf ansprach, stieß sie auf taube Ohren und gab’s schließlich auf.
Jeden Tag ging Summer in der Mittagspause los und sah nach Joe. Er war immer noch frustriert, schlecht drauf und in der
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