Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
Sklavin wird ihrem Herrn zurückgebracht, ihr Entführer vor Gericht gestellt. Wir haben das Gesetz gegen uns.«
Sie weinte.
»Wenn du allein fortgehst, wird man mich schlagen.«
»Man tut das wohl oft?«
»O nein. Ich habe noch nie Veranlassung dazu gegeben. Warum auch sollte ich mich den Befehlen des Herrn widersetzen? Ich bin ja in seiner Gewalt.«
Und, nach einer Weile, sehr leise: »Ich habe zugesehen, wie er andere schlagen ließ. Die Peitsche ist aus drei Riemen geflochten. Jeder hat am Ende einen Knoten. Ich fürchte mich sehr.«
»Du musst dich nicht fürchten. Leg den Schlüssel an seinen Platz. Ich bleibe hier.«
Aber am dritten Abend brachte sie den Schlüssel wieder. »Nimm ihn. Ich fürchte mich nicht mehr. Vielleicht kommt man gar nicht auf den Gedanken, dass ich es war, die ihn dir gab. Lass ihn, wenn du aufgesperrt hast, von innen stecken. Und als er zögerte, ihn an sich zu nehmen: »Du musst fort von hier. So schnell wie möglich. Denn wenn du dich dem Emir widersetzt, wird es dir übel ergehn.«
Die Flucht gelang. Als sich am Morgen die Stadttore öffneten, konnte Welid ungehindert Kairawan verlassen, dessen Moscheen er nie betreten, dessen Gassen er nur flüchtig durcheilt und von dessen berühmter Schönheit er auch aus den Fenstern seines Zimmers nichts hatte sehen können, denn sie führten, wie die aller vornehmen Häuser, nach dem Innenhof.
Am Abend hatte er das Meer erreicht. Die Nacht war mild, und er verbrachte sie unter freiem Himmel. Am nächsten Morgen fuhr er mit einem Segler, dessen Kapitän ihn um Allahs Lohn mitnahm, nach Sizilien.
Hier versuchte er in einem Fischerdorf Arbeit zu finden. Nein, er wollte sich nicht mehr unter die Vornehmen mischen, so sehr er ihre hohe Bildung schätzte, so gern er den Gesprächen geistreicher Männer zuhörte und so wenig er ihren Tafelfreuden abhold war. Aber in das Getriebe ihrer Händel zu geraten, davor scheute er sich wie vor dem Höllenbrand.
Doch die Fischer hatten keine Arbeit für ihn. Ein Boot ernährte ja kaum die Familie dessen, der es fuhr. Und die Hilfe, die der Bootsbesitzer brauchte, fand er in seinen Söhnen.
Also in eine Stadt! Er verdingte sich als Eseltreiber, suchte als Wasserträger sein Brot zu verdienen, fand schließlich Arbeit als Lehrer, der den Söhnen armer Leute die ersten Kenntnisse im Lesen und Schreiben beibrachte. Wenig genug trug ihm das ein. Freitische in dem einen und ändern Haus eines Schülers, manchmal ein abgetragenes Kleidungsstück, selten bare Münze. Gerade so viel, dass er sein Leben fristen konnte.
Ein Unterkommen fand er in einer armseligen Hütte, die einem Flickschuster als Werkstatt diente. Dort klopfte der Besitzer freilich nur bei schlechtem Wetter auf seinem Leder herum, bei schönem Wetter stellte er Tisch und Schemel vors Haus auf die Straße. Sobald das Tageslicht schwand, hörte er mit der Arbeit auf, denn Geld für Öl hatte er nicht, wozu hätte er sich da eine Lampe anschaffen sollen?
Er räumte dann sein Handwerkszeug weg und ging in die zweite kleine Hütte, in der seine Frau und die sieben Schreihälse, die sie ihm geboren und die Allah ihnen gelassen hatte (zwei waren schon bei der Geburt gestorben, fünf hatten die Todesengel in verschiedenen Lebensaltern weggeholt), schon auf ihn warteten.
Wie sehr sie warteten! Es gab in dem Hause nur zwei Mahlzeiten: eine am Vormittag und eine des Abends. Zwischendurch lungerten die hungrigen Kinder in der Stadt herum, um etwas zu essen zu ergattern. Selten aber hatte eines von ihnen so viel Glück dabei, dass der Hunger es nicht vor Sonnenuntergang nach Hause trieb.
Welid aß nicht mit am Tisch des Flickschusters, der zwar niemals verfehlte, ihn einzuladen, aber doch sichtlich erleichtert war, als er merkte, dass der Schulmeister darauf verzichtete. »Es genügt«, hatte Welid gleich zu Anfang gesagt, »dass ich bei dir schlafen darf. Dafür unterrichte ich deine Söhne.«
In der dunkelsten Ecke der Werkstatt lagen sein Strohsack und seine Decke. Die ganze Nacht über brauchte er den Raum mit keinem Menschen zu teilen. Nur mit einer Katze. Er hatte das kleine Tier vor dem Tod errettet, als Kinder es ertränken wollten, seine schmale Kost mit ihm geteilt und es großgezogen. Nun erwies es sich dankbar, indem es die Mäuse und Ratten von seinem Lager fernhielt.
Obwohl Welid den hungernden Kindern des Schusters die Bissen nicht schmälern wollte, hätte er doch gern an ihren Gebetsübungen teilgenommen. Aber als er dem Hausherrn
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