Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
Himmel entrückt wurde und bei Allah bleiben darf, bis die Stunde des Weitendes naht. Dann wird er wiederkommen und den großen Verführer vernichten, der die ganze Welt erobert hat, dessen Reich der Finsternis und Gewalt aber nur vierzig Tage dauert, denn wenn Isa erscheint, muss er vergehen wie Salz im Wasser.
Nicht gestorben also ist Isa, wie die Christen behaupten, nicht gekreuzigt worden. Ein anderer, ihm Ähnlicher, wurde ans Kreuz geschlagen, während ihn Allah zu sich nahm. Und ein Knecht des Allmächtigen ist er und wird sich nicht scheuen, das selbst zu bezeugen, ein Diener, der ausführt, was sein Herr ihm befiehlt. Sie aber in ihrer Unwissenheit machen Bilder, die einen Leichnam am Kreuz darstellen, knien vor ihnen und beten sie an. O ihr Ungläubigen, man betet nicht Menschen an, wie viel weniger Figuren aus Holz und Stein! Wenn ihr beten wollt, werft euch vor Allah in den Staub, er allein ist der Ewige, vor ihm seid ihr ein Nichts.
Noch schlimmer als der Glaube (oder vielmehr Unglaube) dieser Betörten waren ihre Sitten und Gebräuche. Welid kam in das Haus eines Ritters, der ihn in seine Heimat mitnahm. Er besaß eine Burg im Apennin, wo er in Friedenszeiten mit seinen Freunden ein fröhliches Leben führte. Sie tafelten und zechten, würfelten und lärmten bis tief in die Nacht.
Welid musste ihnen bei Tisch aufwarten, galt es doch als besonders vornehm, dabei von einem »Mohren« bedient zu werden. Dazu erhielt er ein Fantasiegewand, wie er es bei keinem Moslem je gesehen hatte: aufgeplusterte gelbe Hosen, eine Jacke aus rotem Samt und einen so großen Turban, dass er Mühe hatte, ihn zu tragen.
Der Wein floss in Strömen. Die Gesänge der Trunkenen beleidigten sein Ohr. Gewiss, auch die Gläubigen enthielten sich nicht immer dieses Getränkes, das der Koran verbot (möge Allah ihnen die Sünde verzeihen, er ist barmherzig!), aber betrunken zu sein galt bei ihnen überall als eine Schande, und kein gebildeter Moslem würde mehr trinken, als bis sein Geist jenen Grad erreicht hatte, bei dem er sich beschwingt und erleuchtet über die niedrigen Dinge dieser Welt erhob. Wie viele Gedichte entstanden in diesem Zustand! Und wurden vorgetragen im Augenblick ihres Entstehens! Wurden beantwortet - sei es in Beistimmung oder Entgegnung - in gleichem Versmaß und Reim. Denn welcher Mann rühmte sich nicht gerne dessen, dass er mit Worten ebenso gut umzugehen verstand wie mit dem Schwert?
Aber hier? Welid hatte wenig Mühe, die Sprache seiner Umgebung zu verstehen, ähnelte sie doch der der romanischen Einwohner von Andalus in vielem. Aber Verse und Gegenverse, Erörterungen von Fragen, die über das Alltägliche hinausgingen, konnte er aus ihren Gesprächen nicht heraushören.
Und wie sollten sie auch in einer Gesellschaft aufkommen, in der sich Frauen schamlos mit unverhüllten Gesichtern unter den Männern bewegten? Ihnen ohne Scheu die Becher kredenzten, mit ihnen redeten und lachten, gleichviel, ob es sich dabei um Männer ihrer Verwandtschaft oder um Fremde handelte? Welid schlug die Augen nieder, sobald er ihrer ansichtig wurde, er wollte nicht die Spuren der Verworfenheit in ihren Gesichtern finden.
Ein Lichtblick für ihn kam, als ein Mönch die Burg betrat, ein Bruder aus dem Orden des heiligen Columban, dessen Kloster auf einem Ausläufer des Monte Penice unweit der kleinen Stadt Bobbio lag.
Der Abt seines Klosters hatte Händel mit dem Ritter, in dessen Diensten Welid stand, und der Mönch, der mit einer Forderung des Abtes an den Edelmann herantrat, wurde nicht eben freundlich aufgenommen. Doch als er den Mohren sah, heiterte sich seine Miene auf.
»Gebt mir diesen Mann mit«, sagte er zum Ritter, »vielleicht macht mein Abt euch dann Zugeständnisse.«
So kam Welid ins Kloster des heiligen Columban.
Als er zum Abt geführt wurde, traute er seinen Augen nicht, denn dieser saß an einem langen Tisch, vor ihm lagen Bücher, teils aufgeschlagen, teils zusammengeklappt (seit wann hatte Welid kein Buch mehr in Händen gehabt? Besaß der Ritter auch nur eines? Konnte er überhaupt lesen und schreiben), und Welid konnte deutlich in dem einen die ihm vertrauten Schriftzeichen erkennen.
Arabisch? Sprach der Abt vielleicht arabisch?
Unwillkürlich kreuzte der Ankömmling die Hände über der Brust und sagte: »Salam.« Erstaunt bückte der Abt auf, und von seinen Lippen kam die Antwort: »Salam aleikum.«
Nein, gut arabisch sprach der Pater nicht. Er hatte aber einige Jahre in Barcelona beim
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