Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
gegenüber diesen Wunsch äußerte, lachte der hämisch.
»Beten willst du mit uns? Da kannst du gleich dein Bündel schnüren! Als meine Frau mir Vorwürfe machte, weil ich nicht bete, sagte ich ihr: ›Fort aus meinen Augen, du bist geschieden!‹ Als Habenichts bete ich nicht zu Allah, zu ihm betet der mächtige, wohlhabende Mann. Lass ihn beten, den Kalifen in Kairo, er besitzt Paläste und Kammern voll Gold. Auch Abul Kasim mag beten, unser Statthalter, seine Vorratsgewölbe sind gestopft voll mit allen Gütern der Welt. Aber ich - weshalb soll ich beten? Wo sind meine Pferde, meine Sklaven, meine Tänzerinnen? Das Haus fällt mir bald über dem Kopf zusammen, meine Kinder laufen barfuß, auch im Winter, die Wangen meiner Frau sind hohl wie offene Muscheln, nur ihr Leib schwillt an, Jahr um Jahr. Ja, wenn mir Allah Wohlstand gäbe, dass ich die armen Würmer, die sie mir gebiert, in weiche Betten legen, ihnen satt zu essen geben, sie kleiden und beschuhen könnte, würde ich nicht aufhören zu beten, solange ein Blitz am Himmel zuckt. So aber wäre mein Gebet nichts als Schwindel, nichts als Heuchelei!«
Der Schuster hatte von dieser langen Rede eine heisere Kehle bekommen. Er räusperte sich und spuckte aus. Welid war so betroffen, dass er kein Wort zu erwidern vermochte.
Er blieb in dem düsteren Raum allein zurück, in dem noch nie ein Kerzenstümpchen gebrannt hatte, in den das Tageslicht nur durch die offene Tür und durch die Risse drang, die in den Mauern entstanden waren, durch die auch der Mond, wenn er schien, den Weg hinein fand und auch der Wind, wenn er blies. Und als er sich, das Gesicht nach Mekka gewandt, verneigte, blieben plötzlich auch ihm die so oft gehörten und nachgesprochenen Worte im Halse stecken, und er konnte keines von ihnen über die Lippen bringen. Er presste die Stirn auf den kahlen Lehmboden und verharrte so.
Vielleicht hätte er die ganze Nacht in dieser Stellung zugebracht, wenn er nicht durch die Berührung eines weichen warmen Körpers in die Wirklichkeit zurückgebracht worden wäre. Sein Kätzchen war es, das sich ihm an die Beine schmiegte und jenen Laut von sich gab, der Wohlsein und Behaglichkeit ausdrückte.
Er griff nach dem Tier und nahm es in den Arm. Streichelte es und drückte es ein sich. Hatte das Beten vergessen.
Und plötzlich war es ihm, als hörte er Abu Hafs Stimme: »Bei der Nacht, wenn sie sich bedeckt, und beim Tage, wenn er sich enthüllt! Dein Herr hat dich nicht verlassen und nicht gehasst. Wahrlich, das Jenseits ist besser für dich als das Diesseits, und wahrlich, geben wird dir dein Herr und du wirst zufrieden sein. Drum siehe, mit dem Schweren kommt das Leichte, siehe, mit dem Schweren kommt das Leichte. Und wenn du Zeit hast, dann mühe dich und trachte nach deinem Herrn.«
Diese Worte, ja, diese Worte will ich gleich morgen meinen Schülern beibringen, damit ihnen im Leben niemals ein Trost fehle, wie ich ihn dir verdanke, Abu Hafs.
Schreiben, lesen, Koranverse. Wer zu arm war, sich Papier zu beschaffen, schrieb mit Kohle auf Tonscherben. Wer keine Tonscherben fand, schrieb mit dem Finger in den Sand. Das Lesen war noch schwieriger zu üben, denn ein Buch besaß keines dieser barfüßigen Kinder. Schließlich gelang es Welid, eine schwarze Marmorstele aufzutreiben. Auf der einen Seite trug sie eine ihm unleserliche Inschrift, von der er erfuhr, dass sie griechisch war. Mochte der Himmel wissen, was darauf stand und welchem Zweck der Stein gedient hatte. Die Hauptsache war, dass die Rückseite der Tafel nicht zu glatt war und sich mit Kreide beschreiben ließ. So malte er sorgfältig darauf jeden Koranvers, den die Kinder erst lesen und dann auswendig lernen mussten. Der Erste, der ihn hersagen konnte, durfte ihn von der Tafel wischen - das war eine große Ehre.
Die Kinder waren scheu. Es kam selten vor, dass ein vorlautes Wort fiel. Eher, dass dem einen oder ändern der Mut fehlte, den Mund aufzutun. Der Lehrer, der vor Welid unterrichtet hatte, war mürrisch und hart gewesen und hatte Freude am Schlagen gehabt. Welid hatte keine.
Und als es ihm gelang, aus dem Trägsten und Schläfrigsten der Schar, der so verprügelt worden war, dass er sich duckte, sobald mein ihn ansah, richtige Antworten herauszulocken, war ihm froher zumute, als wenn ihm jemand hundert Dirhems geschenkt hätte.
So gingen seine Tage hin, er zählte sie nicht. Die Stadt war klein und abgelegen, vom Tun und Lassen der großen Welt drang kaum eine Kunde über die
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