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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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suchen, die ihre Taten rechtfertigen sollen? Liegt nicht hier die Unterscheidung zwischen gläubig und ungläubig? Eine Unterscheidung freilich, die allein Allah machen kann - und machen wird an jenem Tage, da das Innere nach außen gestülpt wird und nichts mehr verborgen bleibt.
    Nachdem sich die Gäste verabschiedet hatten, fragte Athir: »Warum warst du so still, Welid? Bedrückt dich etwas? Lasse ich es an irgendetwas fehlen? Sag es getrost! Äußere deine Wünsche. Was in meiner Macht steht, will ich dir gern gewähren.«
    »Mich quält eine Frage, Athir. Steht nicht im heiligen Koran, kein Gläubiger darf einen Gläubigen töten? Und wer einen Mord zu vergelten hat, tut besser, Blutgeld zu nehmen als Rache zu üben. Verzeihen ist besser als rächen - auch Allah ist verzeihend und barmherzig.«
    »Was willst du damit sagen? Meinst du, es sei ein Unrecht, gegen Räuber zu Felde zu ziehen? Gegen diese Charidschiten, die gar keine Gläubigen sind, sondern Abtrünnige, die dem rechtmäßigen Kalifen den Gehorsam verweigern? Weißt du nicht, dass ein Abtrünniger auf einer Stufe steht mit dem Heiden, dem Götzenanbeter, und schlimmer ist als einer der Ungläubigen, die Schriftbesitzer sind? Wie willst du denn ihr schändliches Treiben unterbinden als dadurch, dass du sie vertilgst?«
    »Sie sind von einem großen Unglück betroffen worden. Ein Hochwasser hat ihre Fruchtbäume entwurzelt und ihr Vieh ertränkt. Sie haben nur die Wahl, zu rauben oder zu verhungern. Wenn man ihnen Getreide gäbe und Datteln, Schafe und Kühe ...«
    Athir sah seinen Gast so entsetzt an, als hätte er es mit einem Wahnsinnigen zu tun. Dann brach er in ein Gelächter aus, das seinen ganzen wohlbeleibten Körper erschütterte. Als er sich wieder gefasst hatte, sagte er: »Du bist erschöpft vom Blutverlust. Da geht es einem im Kopf manchmal ein wenig durcheinander. Ich werde dir jemanden schicken, der dich auf andere Gedanken bringt.«

    Als sein Gastgeber ihn verlassen hatte, überließ sich Welid seinen bohrenden Fragen. Und schreckte zusammen, als ihn jemand am Ärmel berührte.
    Es war eine Frau. Nicht verschleiert. In einem dünnen, durchsichtigen, lose um ihren Körper hängenden Gewand.
    »Wie kommst du hierher?«
    »Der Herr schickt mich.«
    »Was willst du?«
    »Alles tun, was du von mir verlangst.«
    Er sah sie betroffen an.
    »Ich kann singen.« Sie trällerte ein Lied.
    Nicht Merwes Stimme, dachte Welid, aber fast so gut wie die Munhilas.
    »Und tanzen.«
    Sie wiegte sich in den Hüften, drehte sich im Kreis, breitete die Arme aus, hob sie über ihrem Kopf zusammen, ihre Augen lachten ihn an, glühend, lockend ...
    Er saß immer noch da wie versteinert.
    Da sank sie vor ihm nieder wie ein sterbender Vogel.
    »Ich bitte dich, sag nicht dem Herrn, dass ich dir nicht gefalle!«
    Ihm kamen die Worte der Sure »Das Licht« in den Sinn: Und zwingt nicht eure Sklavinnen zur Hurerei. Und wenn sie einer zwingt, siehe, so ist Allah, nachdem sie gezwungen wurde, vergebend und barmherzig.
    —Und er nahm sie mit gutem Gewissen.
    Trotzdem wich, als der Rausch verflogen war, die Schwermut nicht von ihm. Sie merkte es, schmiegte sich an ihn mit einer Zärtlichkeit, die er von so einem armen Ding nicht erwartet hätte, und fragte: »Was quält dich? Kann ich dir helfen?«
    Da tat ihm Allah vor diesem missbrauchten Geschöpf den Mund auf, dass er sich ihr anvertraute, ganz gegen jede Vernunft und Vorsicht. Er sprach, ohne dass sie ihn mit einer Frage unterbrach. Als er innehielt, sah er, dass sich der Himmel schon spaltete und einen Streifen Licht hereinließ, vor dem die Sterne verblassten. Und er sah, dass Tränen ihr in den Augen standen, die sie mit dem Ärmel ihres Gewandes wegwischte.
    Dann sagte sie: »Noch nie hat ein Mann so zu mir gesprochen. Ich könnte dich lieben und mit dir gehn bis ans Ende der Welt.« Welid schwieg. Da setzte sie fort: »Ich werde versuchen, mir den Schlüssel zum Haustor zu verschaffen, dann wollen wir morgen Nacht fliehen.« »Nun«, fragte Athir am nächsten Morgen seinen Gast, »bist du auf andere Gedanken gekommen?«
    »Auf ganz andere, Vater der Fürsorglichkeit.«
    Am Abend kam die Sklavin wieder. Sie trug den Schlüssel im Ärmel versteckt.
    »Ich kann dich nicht mit mir nehmen. Ich kann nicht Athirs Gastfreundschaft mit so großem Undank lohnen.«
    Aus ihren Augen sprang ihn Verzweiflung an.
    Da nahm er sie in die Arme. »Sieh, Liebste, selbst wenn ich es täte - was hülfe es uns? Eine entlaufene

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