Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
dieser hatte den Verdacht ausgesprochen, dass vielleicht Jachja, der die Erlaubnis hatte, sich Bücher mit nach Hause zu nehmen ... »Genug und gut, mein fand bei ihm an die achtzig Bände, er hatte sie entfernt, ohne auch die Kataloge zu vernichten, in denen sie verzeichnet waren, und der Narr hatte nichts Besseres zu seiner Entschuldigung vorzubringen, als, er habe angenommen, auf Befehl des Großwesirs zu handeln, da du, Welid, ihm jenen Wink gegeben habest.
Kannst du dir Abu Amirs Zorn vorstellen? Das erste war, dass er anordnete, die Bücher allesamt zu verbrennen. Dass zweite, dass er nach dir schickte.«
»Und das erfuhrst du schneller, als man mich fand?«
»Ja, Welid, wer so tief sinkt wie ich, bis dorthin, wo alle Wasser zusammenfließen und alle Dünste aufsteigen, erfahrt vieles.«
»Wo lebst du denn, Merwe? Was machst du?«
»Du hast keine Zeit zu fragen und ich keine zu antworten. Zieh dir die Kapuze über die Augen. Leg die Schuhe ab. Binde deine Kleider so hoch, dass die Kutte sie verdeckt. Geh aus der Kapelle, aber langsam, dann wirst du keinen Verdacht erregen. Vergiss nicht, wenn du an einem Kruzifix vorbeikommst, ein Kreuz zu schlagen, von der Stirn zur Brust, von der linken Schulter zur rechten. Und wenn dich jemand grüßt mit: »Gelobt sei Christus«, so antworte: »In Ewigkeit«. Vielleicht gelingt es dir auf diese Weise, Welid, das Meer zu erreichen und ein Boot zu finden, das dich hinüberbringt.«
Die große Bücherverbrennung glich einem Volksfest. Zu dem Platz, auf dem die Bücher aufgestapelt waren, eilten die Leute von nah und fern herbei, um sich das Feuerwerk anzusehn. Abu Amir warf eigenhändig ein Buch ums andere in die Flammen, und jedes Mal schrie man ihm Beifall zu. »Der wahrhaft Fromme!« »Wie er dem Teufel eins aus wischt!« »Alles vertilgt, was nichts mit dem Koran zu tun hat!« »Heidnische Bücher - welch ein Gräuel vor Allah!«
Jachja ben Jezid überlebte den Tag nicht. Über seinen Tod gingen verschiedene Gerüchte um. Die einen sagten, er habe den Verstand verloren und sei seinen Büchern nach in die Flammen gesprungen, die ändern, ein Windstoß habe ihm die brennenden Papiere ins Gesicht geschleudert und er sei seinen Brandwunden erlegen, die dritten, er sei am nächsten Morgen tot in seinem Bett gefunden worden ohne Spuren irgendeiner Gewalttat, also müsse der Teufel seine Hand dabei im Spiel gehabt haben. Dem Großwesir kam Jachjas Tod gelegen. Es hätte ihm Schwierigkeiten bereitet, dem Kalifen, der sehr an Jachja hing, einen anderen Lehrer zu geben, was alle Fakihs nachdrücklich von ihm verlangten. So konnte er es nun ihnen überlassen, einen geeigneten Mann für dieses Amt auszuwählen.
Sie schlugen Ibn Dakwan vor, den größten Eiferer für ein wörtliches Verständnis des Korans und die Rechtsschule des Malik, und auch das war Abu Amir sehr recht. Er kannte Ibn Dakwan, kannte seinen finsteren Sinn. Mit den Vorstellungen des Jüngsten Tages würde er die Fantasie des Knaben erfüllen, ihm Verse vortragen wie diesen:
»Schüttelt die Herzen vom Pfühl ihrer Sorglosigkeit,
treibt die Seelen hinweg von den Tränken der Lüste,
demütigt sie durch den Gedanken an ihren Tod,
fürchtet für ihre Sünden den Tag der Verantwortung,
denkt an den, der hoch vom Himmel her ruft,
der die Knochen lebendig macht,
der die verschwundenen Leiber sammelt
aus den Horsten der Vögel und dem Fleisch der wilden Tiere,
vom Grund des Meeres und dem Rücken der Berge,
bis jedes Glied an seinem Ort sitzt
und jedes Teilchen von der Todesstatt erstanden ist.
Dann erhebt ihr euch, ihr Menschen,
zur furchtbaren Stunde,
barfuß, nackend, eure Gesichter bestaubt
von den Wirbeln der Erde ...«
Ja, alle seine Feinde arbeiteten ihm in die Hand! Und Welid, der Freund, ihm entgegen? Er, der die größte Offenheit zur Schau trug, der sein Vertrauen genoss wie kein zweiter, hinterging ihn? Seit wann? Vielleicht gar schon seit Abdallah ... Hatte er nicht dem Bruder den Schutz seines Hauses anvertraut, wenn er verreiste? Oh, er sollte ihm Rede und Antwort stehn! Ins Kreuzverhör wollte er ihn nehmen, in die Enge treiben, jede Antwort auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen, und wehe ihm, wenn er sich in Widersprüchen verfing!
Ungeduldig ging Abu Amir in seinem Zimmer auf und ab. Längst hätte Welid von Hani ben Taifur zurück sein müssen. Aber es wurde Abend, es wurde Nacht, es wurde Morgen - ein trüber Morgen nach einer schlaflosen Nacht - und der Gerufene kam nicht.
Die
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