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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Gassen von Tanger durcheilte Welid, so schnell er das, ohne Verdacht zu erregen, tun konnte. Er fühlte die unfreundlichen Blicke, die auf ihn gerichtet waren, auch ohne aufzusehen, hörte die gehässigen Worte, die hinter ihm her klangen, und das Mönchsgewand brannte ihm auf der Haut. Um es abzulegen, musste er aber erst eine menschenleere Gegend suchen, wo keiner seine Verwandlung beobachtete.
    Vor dem Südtor der Stadt, abseits der großen Karawanenstraße, fand er ein Tamariskengebüsch, wand sich durchs verworrene Gezweig, streifte die Kutte ab und verbarg sie, so gut es ging, samt dem Rosenkranz unter Wurzeln und dürrem Laub. ›Jetzt bin ich wieder ein Mensch!‹ dachte er, reckte sich hoch auf und wollte eben ein Lied anstimmen. Da hörte er Pferdegetrappel, und der Ton blieb ihm in der Kehle stecken.
    Er drückte sich ins dichte Gezweig und regte sich nicht, bis der Reitertrupp vorübergetrabt war. ›Was wollten sie hier?‹ dachte er, ›suchen sie mich? Reichen nicht Abu Amirs Arme bis tief ins afrikanische Land hinein? Sind nicht die Söhne des Idris, denen Mauretanien gehörte, seine Vasallen? Nein, es genügt nicht, dass ich die Kutte von mir werfe, um mich wieder wie ein Mensch fühlen zu können - ich muss Berg und Tal, Wasser und Land zwischen mich und meine Verfolger bringen.‹ Als sich das Pferdegetrappel in der Ferne verloren hatte, richtete sich Welid wieder auf, trat vorsichtig aus dem Gebüsch und ging langsam der Landstraße zu. Die Lust zu singen war ihm vergangen.
    Er wanderte den ganzen Tag und nahm am Abend Herberge in einer Karawanserei. Hier gelang es ihm, sich als Kameltreiber zu verdingen. Sein Herr war Ischak ibn ar-Rakiza, ein reicher Kaufmann aus Ifrikija, der in Tanger andalusische Waren eingekauft hatte, um sie nach Damaskus zu bringen.

    Aufstehen vor Anbruch der Morgendämmerung. Die Waschung vor dem Gebet mit Sand vornehmen, denn Wasser ist rar. Die Tiere bepacken, zum Frühstück kaum Zeit haben. Aufbruch vor Sonnenaufgang. Täler durchschreiten, Höhen erklimmen, Flüsse überqueren. Zeltdörfer liegen lassen. Rast machen in kleinen Karawansereien, die am Wege liegen.
    Manche Täler sind fruchtbar. Da reift der Weizen, schlägt die Wachtel, singt in einem Dornbusch die Nachtigall. Dann wieder kommen sie durch baumlose Steppen, auf denen kaum Hirse wächst, einzelnstehende Hügel ragen daraus hervor, unbewaldet, deren rote, tonige Erde im Sonnenlicht aussieht, als blutete sie. Und mitten aus der Ebene ein sich mächtig in den Himmel reckender Berg aus rotem Gestein mit bewaldeter Kuppe, auf dessen halber Höhe eine ummauerte Stadt inmitten schöner Gärten und Erntefelder liegt. Hier möchte man sich satt essen an Trauben und Feigen, möchte vor der Moschee die Schuhe abstreifen, die Stirne zu Boden senken, im Gebet verharren, bis man aus der Kühle des Gotteshauses in die Kühle des Abends hinaustreten kann. Aber schon heißt es: Weiter!, und der Gebetsruf des Muezzins erreicht nicht mehr das Ohr.
    Doch edle Mühsal des Weges ist zu ertragen, solange mein im Schutze des Allmächtigen wandelt. Wie aber, wenn er diesen Schutz versagt? Wenn Räuberscharen die Straßen unsicher machen, mein vom Weg abgehen, in die Salzsteppe ausweichen muss, wo die Brunnen unter dem Sand vergraben liegen und nur kundige Führer ihr brackiges Wasser zu finden verstehen?
    Durst. Wer in Andalus kennt ihn? In Andalus, wo fast jedes Haus einen eigenen Brunnen besitzt, wo die Wasser von den Bergen in Röhren zu Tal geleitet und in Marmorbecken aufgefangen werden, die ständig gefüllt sind, ständig überfließen?
    Hier versagen die Brunnen, denn nicht jeder ist das ganze Jahr über brauchbar. Hier stürzen die Tiere in den Sand und verenden. Hier brennt der Windhauch wie eine Flamme, werden die Augen blutrot, die Zunge und der Mund von innen und außen mit zähem Schleim überzogen, die Haut wie ausgedörrtes Pergament. Und die Sonne sticht wie mit feurigen Lanzen vom Himmel nieder, sodass man vor ihrem unbarmherzigen Licht verzweifelt die Augen schließt. Doch die Flammen, die vor einem hertanzen, dringen auch durch die geschlossenen Lider. Ist das die Hölle? Ist das der Brand, der niemals verlöscht? O ihr Gärten des Paradieses, durch die das lebendige Wasser fließt und in denen die unverwelklichen Blumen prangen, warum suchte ich euch im Jenseits? Habe ich euch nicht im Diesseits besessen? Und verlassen? Warum verlassen? Um dem Tode zu entgehen, oder um ihm in die Arme zu laufen? Entrinnt

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