Zu Staub Und Asche
gefesselt, sodass er nicht die geringste Chance hatte, dem Feuer zu entkommen. Stuart wurde kampfunfähig geprügelt und in einen Brunnenschacht geworfen, in dem er jämmerlich erfror.«
»Ich glaube, Frauen können grausamer sein als Männer.«
»Wenn man sie provoziert?«
Hannah lächelte schwach. »Männer sind manchmal ziemlich provokant.«
»Man braucht relativ viel Kraft, um den Deckel über dem Brunnenschacht zu bewegen«, überlegte Daniel. »Aber eine starke Frau könnte es schaffen.«
»Ihr Vater hat mich immer davor gewarnt, Vermutungen aufgrund von Stereotypen anzustellen. Das hat nicht einmal unbedingt mit politischer Korrektheit zu tun, sondern einfach mit guter Polizeiarbeit. Sie können beim besten Willen nicht davon ausgehen, dass Stuart von einem Mann ermordet wurde.«
»Sie sehen mich zerknirscht«, erklärte Daniel so kleinlaut, dass sie unwillkürlich lachen musste.
»Das ist übrigens ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Ben und Ihnen. Er konnte nie zugeben, wenn er sich geirrt hatte.«
»Oh ja, daran kann ich mich erinnern.«
»Nicht, dass er sich häufig geirrt hätte. Er war schon sehr früh der Meinung, dass Bethany ermordet wurde. Übrigens litt er darunter, dass er es nie geschafft hat, ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«
»Stellen Sie sich einmal vor, dieselbe Person hätte auch George und Stuart ermordet. Warum war er sechs Jahre lang inaktiv? Ein normaler Serienmörder verhält sich nicht so.«
»Sind Sie Experte in Sachen Serienmord?«
»Das ist doch heutzutage jeder. Haben Sie sich mal das Fernsehprogramm angesehen?«
»Zum Fernsehen habe ich leider wenig Zeit, aber natürlich geht dieser Punkt an Sie. Der Zeitabstand ist wirklich rätselhaft.«
»Bestimmt gibt es eine Erklärung dafür.«
»Die einfachste wäre, dass die literarische Verbindung reiner Zufall ist und dass Bethanys Tod nichts mit den beiden anderen zu tun hat.«
»Und das glauben Sie?«
Er klang wie ein enttäuschtes Kind. Hannah musste sich überwinden, ihm nicht die Hand zu drücken und zu versichern, dass seine Theorie durchaus plausibel sei. Auch wenn sie sich nicht ganz sicher war, in welche Richtung sie die Ermittlung führen würde.
»Um ganz ehrlich zu sein, Daniel - ich weiß nicht recht, was ich glauben soll.«
»Das klingt aber ganz und gar nicht nach Ihnen, Ma'am.«
Irgendwo aus dem Nichts hatte sich DS Greg Wharf materialisiert, stand unmittelbar neben Hannah und zwinkerte wie ein Geist, der nicht erst darauf warten will, dass man seine Flasche reibt. Sein Atem roch nach Bier, und seine teuren Zahnkronen blinkten in einem breiten, triumphierenden Lächeln. Sein spöttischer Blick musterte Hannah und Daniel abwechselnd, als hätte er sie soeben in flagranti ertappt.
Eine Welle der Verlegenheit überrollte Hannah. Einen Moment lang befürchtete sie, sich über seine hübsche neue Wolljacke übergeben zu müssen.
Sie brachte ein kurzes Nicken zustande; zu reden traute sie sich nicht zu.
»Kommen Sie öfter her, Ma'am? Ich bin heute zum ersten Mal hier. Gemütlich, nicht wahr?«
Greg stützte die Hände in die Hüften und genoss sichtlich ihr Unbehagen. »Der Typ nebenan hat bemerkt, dass mir das Raten Spaß macht und mich in die Mannschaft geholt. Unser Team hat verloren, weil die anderen ein paar ausgemachte Cracks dabeihatten. Einer hat sogar im letzten Jahr das große Allgemeinwissensquiz von Cumbria gewonnen. Aber es hat trotzdem einen Riesenspaß gemacht.«
Er strahlte Daniel an und streckte die Hand aus. »Greg Wharf. Ich habe das Glück, Mitglied im Team von DCI Scarlett sein zu dürfen. Zwar ist die erste Woche noch nicht ganz vorbei, aber bis jetzt gefällt es mir ausgesprochen gut.«
Sarkastisches Arschloch! Hannah konnte sich lebhaft vorstellen, wie er die Jungs im Präsidium mit der Geschichte unterhielt, dass er die DCI bei einem Flirt überrascht hatte. Wahrscheinlich würde er gute Polizeiarbeit dafür verantwortlich machen und dass er seiner Nase gefolgt war.
»Daniel Kind.«
»Ich habe Ihr Gesicht erkannt. Sie waren mal im Fernsehen, nicht wahr?« Greg zeigte ein wölfisches Grinsen. »Sind Sie der Sohn dieses Kriminalbeamten?«
»Erinnern Sie sich an meinen Vater?«
»Wir haben uns nie kennengelernt, aber ich bin auch noch nicht lange in diesem Kaff, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Trotzdem habe ich schon von Ben Kind gehört. Haben Sie nicht früher mit ihm zusammengearbeitet, Ma'am?«
Hannah nickte. Sie wollte lieber nicht wissen, was Greg
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