Zu Staub Und Asche
Nacht in einem unterirdischen Verlies zu überstehen, und dazu noch bei diesen Temperaturen.«
Daniel schluckte. »Stellen Sie sich mal seine letzten Stunden vor. Im Stockdunkeln eingesperrt, und dann die Schmerzen! Allein das ist schon unerträglich, und wenn man dann auch noch unter Klaustrophobie leidet ...«
»Ihr Vater fand immer, dass ich mich zu sehr auf meine Fantasie verlassen habe.« Der Wein erzeugte ein unangenehmes Gefühl auf Hannahs Zunge. Sie hätte vorher etwas essen sollen, damit ihr der Alkohol nicht gleich zu Kopf stieg. »Er fürchtete, die Fantasie könne den sachlichen Ermittlungen im Weg stehen.«
»Dad hat nicht immer recht gehabt.«
»Mir hilft es, mich in den Kopf des Opfers hineinzuversetzen. Übrigens auch in den des Täters.«
»Ich stelle es mir nicht gerade leicht vor, so zu denken wie jemand, der einen Menschen foltert, ehe er ihn tötet.« Daniel trank einen großen Schluck Wein. »Irgendwer muss Stuart Wagg abgrundtief gehasst haben, um ihm so etwas anzutun.«
»Hat Louise vielleicht eine Ahnung, wer in dieses Muster hineinpassen könnte? Hat Stuart vielleicht zugegeben, Feinde zu haben?«
»Ich glaube nicht, dass es ein rationales Verbrechen war. Zu so etwas ist nur ein Psychopath fähig.«
»Mag sein. Auch ich glaube übrigens nicht, dass es sich um ein Zufallsverbrechen handelt. Stuart Wagg war nicht dumm. Wie konnte er zulassen, dass man ihm so etwas antat?«
»Entweder sein Mörder hat ihm eins über den Schädel gegeben und er war nicht bei Bewusstsein, oder man hat ihn mit vorgehaltener Waffe zum Brunnen gezwungen.«
»Aber wie soll der Mörder so nah an ihn herangekommen sein? Crag Gill verfügt über ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem - das Beste vom Besten.«
»Das Gewitter ...«
»Hatte nichts damit zu tun, dass die Stromversorgung des Hauses nicht funktionierte. Vermutlich wurden die Leitungen gekappt. Der Stromausfall war Sabotage.«
»Mit anderen Worten: Dieser Mord war geplant.«
»Sicher.«
»Aber wie konnte Stuart jemanden ins Haus lassen, der ihm verdächtig war oder vor dem er gar Angst hatte?«
»Vermutlich kannte er seinen Mörder. Er oder sie zählte möglicherweise zu seinem Freundeskreis.«
»Louise war es nicht«, sagte Daniel hastig.
»Natürlich nicht!« Er war also doch nicht so entspannt, wie es den Anschein hatte - zumindest nicht, soweit es seine Schwester betraf. »Ich fürchte, sie wird noch einige Fragen über sich ergehen lassen müssen, aber damit ist es dann auch erledigt. Ich bin sicher, dass nicht sie es war, die Stuart Wagg dermaßen zugerichtet hat. In einer verzweifelten Situation mit einer Schere auf ihn loszugehen ist etwas ganz anderes. Die rohe Brutalität dieses Mordes passt nicht zu ihr.«
»Hoffentlich denken Ihre Kollegen genauso darüber«, murmelte Daniel.
»Sie machen doch auch nur ihren Job, Daniel.« Warum klang sie bloß so defensiv? »Jeder, der Stuart Wagg kannte, wird unter die Lupe genommen.«
»Könnte es ein Auftragsmord gewesen sein?«
»Wer weiß? Allerdings benutzen Auftragskiller in neun von zehn Fällen eine Schusswaffe. Warum hätte man ihn in den Brunnenschacht stopfen sollen, ohne vorher auch nur sicherzustellen, dass er wirklich tot war? Nur einfach so, aus unbegründeter Bosheit?«
»Vielleicht war sie gar nicht so unbegründet«, gab Daniel zu bedenken, »sondern ein Zeichen für tiefen, persönlichen Hass.«
»Deswegen wundert es mich ja auch, dass Louise uns keinen möglichen Kandidaten nennen kann.«
»Wagg hat für Promis gearbeitet - für Leute, die sicher die eine oder andere Leiche im Keller haben. Könnte ja sein, dass er in irgendwelche kriminellen Machenschaften. Geldwäsche, Drogengeschäfte oder Ähnliches verwickelt war.«
»Nahm er manchmal Drogen?«
»Nicht, dass ich wüsste. Louise würde solches Zeug niemals anrühren und wäre wahrscheinlich sofort von der Bildfläche verschwunden, wenn sie herausgefunden hätte, dass Wagg mit Drogen zu tun hat. Als sie sechzehn war, starb der Bruder ihrer besten Freundin nach der Einnahme einer Ecstasy-Pille. Der Vorfall hat eine tiefe Narbe bei ihr hinterlassen. Ihr Leben lang hat sie sich nicht einmal zu einem schnellen Zug an einem Joint überreden lassen.«
»Haben Louise oder Stuart je den Namen Bethany Friend erwähnt?«
Von der anderen Seite der Bar waren lautes Pfeifen und schallendes Gelächter zu hören. Es klang eher wie der Höhepunkt eines Rugbyspiels als ein Quiz zu Fragen der Allgemeinbildung.
»Nie. Gibt es
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