Zu Staub Und Asche
dort zu graziösen Palmen. Ihnen folgten Himmelskerzen, die jaulend zu goldenen Ästen explodierten, sich langsam senkten und die auf der Terrasse versammelten Leute fast zu berühren schienen. Alle starrten nach oben, hielten den Atem an und fragten sich, was wohl als Nächstes kommen würde.
Es knallte so laut, dass Hannah so tat, als müsse sie sich die Ohren zuhalten. Wie viele Tausend Pfund gingen da wohl vor ihren Augen in Rauch auf? Stuart Wagg wusste nie, wann es genug war. Er kannte keine Hemmungen.
»Dann weißt du also, wer die Frau war, die da eben ausgeflippt ist?«
Marc grinste. »Du errätst es nie.«
»Ich brauche aber nicht zu raten, obwohl ich die Dame eigentlich schon von den Pressefotos her hätte erkennen müssen. Louise Kind hat mir gesagt, dass es Wanda Saffell war.«
Tatsächlich - die kürzlich verwitwete Wanda Saffell. War sie tatsächlich schon wieder auf der Rolle, obwohl sie ihren Ehemann gerade erst zu Grabe getragen hatte? Auf den ersten Blick wirkte es ziemlich pietätlos, doch Hannah wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Dass die Frau ihr Weinglas über ihren Gesprächspartner gekippt und anschließend weinend aus dem Haus gelaufen war, zeigte, wie blank ihre Nerven lagen.
»Du weißt ja immer schon alles«, murrte Marc.
»Wenn es nur so wäre.«
»Schon gut. Worum ging es eigentlich?«
»Gute Frage.« Auch Hannah hätte die Antwort liebend gern gewusst.
»Soll ich dir mal was sagen?« Marc näherte sich ihrem Ohr. »Du hast dich geirrt, was den Fahrer des Autos anging, das uns auf dem Hinweg fast über den Haufen gefahren hat. Es war nämlich kein Mann - es war Wanda.«
»Glaubst du wirklich?«
»Eine Kellnerin hat mir erzählt, dass sie kaum fünf Minuten vor uns aufkreuzte. Sie kam rein, schnappte sich ein Glas Champagner, kippte es in einem Zug runter und ließ es sofort wieder nachfüllen.«
Hannah blickte sich um. »Ist sie noch da?«
»Raj Doshi, einer von Stuarts Partnern, hat sie heimgefahren. Er hat ihr wohl klargemacht, dass sie nicht mehr in der Lage wäre, ihren Sportwagen zu fahren.«
»Du könntest bei der Kriminalpolizei anfangen.«
»Wenn du mich fragst - diese Frau scheint ein großes Problem mit Konfliktbewältigung zu haben.«
»Aha, also nicht nur Kriminalist, sondern obendrein auch noch Psychologe. Komm, es ist Zeit, zu gehen!«
Sie griff nach Marcs Arm und zog ihn ins warme Haus. Unterwegs musste sie plötzlich an Arlo Denstone denken. Nach dem Vorfall hatte er dagestanden und ein Taschentuch aus seiner Tasche geangelt. Noch immer mit einem leichten Lächeln auf den Lippen hatte er sich die Wangen abgetupft, während sich ein matter roter Fleck auf seinem Jackett ausbreitete.
Fast hätte man meinen können, Wanda Saffell hätte ihm ein Messer in die Brust gestoßen.
Kapitel Vier
Neujahr in Tarn Fold. Ein Tag, der geradezu perfekt und wie dafür geschaffen zu sein schien, sich dem Mord als Kunstwerk zu widmen, sagte sich Daniel Kind.
Gähnend zog er die Vorhänge des Arbeitszimmers zurück. Erst vor achtundvierzig Stunden war er auf dem Flughafen von Manchester gelandet, und obwohl er bis zum Mittag geschlafen und während der letzten fünf Minuten unter einer glühend heißen Dusche gestanden hatte, dämpfte der Jetlag seine Sinne wie eine Dosis Chloroform.
Ein heftiger Wind brauste von den Bergen her und rüttelte an den Fensterscheiben. Kahle Bäume bewegten sich wie Betende bei einem finsteren Ritual. Der Himmel zeigte sich übellaunig, und feuchte Nebelfetzen hingen über dem merkwürdigen, zum Cottage gehörenden Grundstück mit seinen verschlungenen Pfaden, geheimnisvollen Pflanzungen und unerwartet endenden Wegen. Jenseits eines unter Schilf verborgenen Weihers erhob sich der schroffe, düstere Abhang von Tarn Fell. Eigentlich hätte er den Windböen trotzen und einen Spaziergang machen sollen, um frische Luft in seine Lunge zu pumpen. Doch Louise hatte ihr Kommen angekündigt und Daniel damit die beste Ausrede geliefert, sich stattdessen lieber eine Tasse Kaffee aufzubrühen. Der Koffeinkick würde vielleicht das für ihn erledigen, was der Schlaf nicht vermocht hatte.
Der erste Januar war geradezu ein idealer Tag, endlich mit seinem neuen Buch anzufangen. Das Thema: Thomas de Quincey und sein Essay Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet.
Zunächst jedoch schaltete er den Fernseher ein und spielte die Kassette mit dem Programm ab, dessen Aufzeichnung er am Vorabend gerade noch in die Wege geleitet hatte, bevor er zu Bett
Weitere Kostenlose Bücher