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Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
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rubbelte sich die Hände mit theatralischer Energie, als würden sein Anorak und der dicke Pullover nicht ausreichen, ihn warm zu halten. »Sagen Sie - irgendwie kommt mir Ihr Gesicht bekannt vor.«
    Das war zumindest besser als: »Waren Sie nicht mal Daniel Kind?« Daniel wich Fragen über seine Zeit als Medienstar ganz gern aus, denn er war in den Lake District zurückgekehrt, um genau diesen Dingen zu entfliehen. Andererseits wollte er nicht unhöflich sein. Genau genommen hatte sich O'Brien schließlich als Musterbeispiel christlicher Nächstenliebe ausgewiesen. Daniel vermutete, dass er ausgesprochen stolz darauf war, in einer Krisensituation einen kühlen Kopf bewahrt zu haben.
    »Ich war früher mal im Fernsehen, ja.«
    »Geschichte!« O'Brien strahlte ob seines Bravourstücks in Sachen Erinnerung. »Wusste ich es doch! Gesichter vergesse ich nie. Ich selbst interessiere mich besonders für den Zweiten Weltkrieg. Wie wir damals zusammengehalten haben - diese Geisteshaltung müsste es heutzutage öfter geben!«
    Während der Mercedes abgeschleppt wurde, erging sich Daniel in höflichem Small Talk. Vermutlich bereute Louise längst, dass sie O'Brien im ersten Schreck nach dem Unfall gebeten hatte, ihren Bruder anzurufen. Sie gab nicht gern die Führung aus der Hand, andererseits brauchte sie einen Chauffeur, der sie nach Tarn Fold brachte. Der demolierte Mercedes eignete sich nur noch für die Schrottpresse.
    Als sie schließlich abfahrbereit war, schlug die Kirchturmuhr in Brack ein Uhr. Der Polizist hatte sich entschlossen, Cumbrias Kriminalstatistik nicht mit einem weiteren Fall zu belasten, und die Sanitäter machten sich auf den Weg, jemandem mit weniger Glück ihren Beistand angedeihen zu lassen. Louise überschüttete das irische Ehepaar mit Dankesworten und stellte sicher, dass die O'Briens im Besitz ihrer Versicherungsdaten waren. Mit Händeschütteln, Winken und fröhlichem Hupen machten sich die Iren auf den Heimweg.
    Als sie schließlich ganz allein waren, atmete Louise vernehmlich aus. Sie starrte in die Ferne, als versuche sie, irgendeinen unsichtbaren Berg zu lokalisieren, weil sie sich nicht traute, ihrem Bruder in die Augen zu blicken.
    »Da habe ich mal wieder etwas Schönes angerichtet, was?«
    »Es hätte schlimmer kommen können.«
    »Weißt du was? Du magst ja vielleicht recht haben, aber genau jetzt, in diesem Augenblick, kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass noch irgendetwas schlimmer sein könnte.«
    Sie hatte sich lang genug gezwungen, Haltung zu bewahren. Plötzlich wirkte sie verwundbar und verängstigt, und ihre coole Fassade fiel in sich zusammen. Daniel nahm sie in den Arm und spürte, wie ihre Schultern bebten, als sie schließlich in ein lautes, wildes Schluchzen ausbrach.
    Zu Hause in Tarn Cottage machte sich Daniel ein Sandwich. Louise wollte nur einen Brandy; wenn sie jetzt etwas äße, so behauptete sie, würde sie sich sofort übergeben. Schließlich kuschelte sie sich in einen Sessel im Wohnzimmer und döste ein. Daniel wärmte sich die Hände am Kaminfeuer und wartete darauf, dass sie irgendwann so weit war, ihm seine Fragen zu beantworten.
    »Wie fühlst du dich?«, erkundigte er sich, als sie sich regte und dann die Augen öffnete. »Kopfweh? Muskelschmerzen?«
    »Mach nicht so viel Aufhebens.«
    »Du hättest dir den Hals brechen können. Als ich dein Auto da im Graben gesehen habe ...«
    »Ich weiß«, murmelte sie. »Aber es geht schon. Versprochen.«
    Er streckte seine Beine aus. »Willst du dich lieber noch ausruhen, oder können wir reden?«
    Sie betrachtete einen Haarriss, der quer über die weiß gestrichene Decke verlief, sagte aber nichts. Ihre Augenlider waren schwer. Kein Wunder nach einer durchgemachten Nacht - vom Brandy ganz zu schweigen.
    »Was ist auf Crag Gill passiert, Louise?«
    »Das willst du gar nicht wissen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sag es mir!«
    »Weißt du, was komisch ist?«, begann sie schließlich mit erstickter Stimme. »Als ich mich in Stuart verliebt habe, dachte ich tatsächlich, ich hätte endlich den Richtigen gefunden. Er und ich. Ist das zu fassen?«
    Er wartete.
    »Ich habe mich nicht mehr so Hals über Kopf verliebt, seit ... keine Ahnung. Ich war vielleicht neunzehn oder so. Ich dachte, ich wäre längst immun gegen dieses verrückte Gefühl. Aber was Stuart betrifft - es hatte mich voll erwischt.«
    Sie musterte ihre Fingernägel. An diesem Tag waren sie tiefviolett, was einen interessanten Kontrast zum Weiß ihrer

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