Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
Vom Netzwerk:
schmalen, zierlichen Finger bildete. Daniel schwieg weiter. Er musste ihr Zeit geben, und sie musste ihr eigenes Tempo finden, um sich zu öffnen.
    »Ich fand ihn einfach nur fantastisch. Erfolgreiche Männer reizen mich eben.« Sie schien mit sich selbst zu sprechen. »Stuart war ganz anders als die üblichen Kleinstadtadvokaten. Ein echter Großstädter. Aber seine Liebe zum Lake District hat mich überzeugt, dass er etwas ganz Besonderes war. Dieser Blick in seinen Augen, wenn er davon sprach, wie er über Felsen klettert und die alten Begräbniswege über die Berge entlangwandert! Er liebte Bergwanderungen ...«
    »Einsam wie die Wolk'?«
    Mit dem Wordsworth-Zitat versuchte Daniel ein wenig Humor zu zeigen. Aber Louise stöhnte nur.
    »Du mochtest ihn nicht, oder?«
    »Ich kannte ihn kaum.«
    »Diplomatisch wie immer.«
    »Einer von uns muss es ja sein.«
    »Stuart ist der egoistischste Mensch, der mir je begegnet ist.«
    Daniel atmete aus. »Das will schon etwas heißen!«
    »Angesichts meiner Liste miserabler Liebhaber? Du musst nicht noch Salz in meine Wunden streuen!« Ihre Stimme wurde lauter.«Ich bin durchaus in der Lage, mich selbst zu kasteien, vielen Dank! Abgesehen davon: Es ist nicht nur sein Egoismus. Er ist außerdem grausam.«
    Daniel beugte sich nach vorn. »Grausam?«
    »Er besitzt kein Gewissen. Du solltest einmal hören, wie er über Menschen spricht - als wären sie nur zu seinem Nutzen auf dieser Welt. Wenn er jemanden nicht mehr braucht, könnte er genauso gut tot sein - Stuart wäre es egal. Wie zum Beispiel Wanda Saffell.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Die beiden hatten früher mal etwas miteinander.«
    »Während ihrer Ehe mit George?«
    »Du klingst ja richtig schockiert! Stuart war das völlig gleich. Für ihn sind Frauen wie Bücher - obwohl er Büchern den Vorzug gibt, weil sie sich nicht wehren.« Sie sprach jetzt, vom Alkohol angefeuert, sehr schnell; sie wollte unbedingt, dass er verstand. »Aber sowohl Bücher als auch Frauen sind für ihn Trophäen, die man sammelt und dann irgendwo verstaut. Dabei geht es nicht nur um das Jagdfieber, sondern darum, etwas ganz allein für sich zu haben, das gut aussieht. Und diesen privaten Besitzerstolz genießt er ganz unglaublich. Ich bezweifle, dass er auch nur ein Zehntel der erworbenen Bücher überhaupt liest. Er gibt ein Vermögen dafür aus und sperrt sie dann weg. Er hat mir erzählt, dass der Zustand des Einbands neunzig Prozent des Wertes eines seltenen Buchs ausmacht. Kannst du dir das vorstellen? Mit dem Inhalt hat es nichts zu tun. Die Bücher müssen so aufbewahrt werden, dass sie nicht mit Tageslicht in Berührung kommen. Um Himmels willen, keiner der hübschen Bücherrücken darf der Sonne ausgesetzt werden. Also versteckt er sie; Hauptsache, sie gehören ihm - alles andere zählt nicht. Es törnt ihn unglaublich an, etwas zu besitzen, das jemand anders vielleicht ebenfalls haben will. Mal ist es ein Buch, mal die Frau eines anderen Mannes. Für Stuart Wagg macht das keinen Unterschied.«
    Nach dieser Tirade versank sie wieder in ihrem Sessel. Daniel ließ ihr noch etwas Zeit.
    Mit Tränen in den Augen fuhr sie fort: »Es ist ganz allein meine Schuld. Wie konnte ich bloß so bescheuert sein?«
    Bescheuert. Er hatte dieses Wort seit ihrer Kindheit in Manchester nicht mehr gehört. »Wir alle tun dann und wann bescheuerte Dinge.«
    »Ich habe einen anständigen Job weggeworfen, um mit ihm zu gehen - wie ein Schulmädchen, das in einen Star verknallt ist. Vermutlich hat es damit zu tun, dass ich meine biologische Uhr ticken höre, aber das soll natürlich keine Entschuldigung sein.«
    »Du willst Kinder?«
    Daniel konnte nicht anders, er musste diese Frage einfach stellen. Der Brandy hatte ihre Zunge gelöst; nie zuvor hatte sie mütterliche Instinkte gezeigt. Schon als Heranwachsende war ihr ganzes Sinnen und Denken auf ihre zukünftige Karriere gerichtet; verächtlich hatte sie auf die Nur-Hausfrauen herabgeblickt, deren einziger Lebensinhalt ihre Nachkommen waren und die nichts aus ihren Fähigkeiten machten.
    »Ich mag ja manchmal blöd und naiv sein, Daniel«, antwortete Louise grimmig, »aber ich bin nicht ganz so seelenlos, wie du glaubst.«
    »Du hast bloß nie darüber gesprochen ...«
    »Ich hasse Menschen, die ihr Herz auf der Zunge tragen. Ich dachte immer, wenn Kinder kommen, dann kommen sie eben. Allerdings hielt ich mich mit zunehmendem Alter immer weniger für geeignet. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn

Weitere Kostenlose Bücher