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Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)

Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)

Titel: Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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anzuknüpfen.
    »Sie wollen hier die Bäume rausholen?«
    Roy sagt: »Kann schon sein.« Er denkt, es geht Percy um eine Gratislieferung Brennholz.
    »Dann halten Sie sich mal besser ran«, sagt Percy.
    »Wieso das?«
    »Hier steht bald alles unter Vertrag.«
    Roy kann nicht umhin, ihm den Gefallen zu tun und sich nach diesem Vertrag zu erkundigen. Percy ist eine Klatschbase, aber kein Lügner. Wenigstens nicht bei den Dingen, die ihn wahrhaft interessieren, nämlich geschäftliche Abmachungen, Erbschaften, Versicherungsfälle, Einbrüche und Geldangelegenheiten aller Art. Es ist ein Fehler, zu denken, dass Leute, die es nie zu Geld gebracht haben, nicht ständig darüber nachdächten. Das mag eine Überraschung für all jene sein, die in ihm einen philosophischen Tippelbruder sehen, ganz eingesponnen in seine Erinnerungen an die guten alten Zeiten. Obwohl er, wenn es sein muss, auch den hervorkehren kann.
    »Hab von diesem Burschen gehört«, sagt Percy und zieht es in die Länge. »Als ich in der Stadt war. Ich weiß nicht. Wie’s scheint, betreibt dieser Bursche ein Sägewerk, und er hat einen Vertrag mit dem River Inn, denen das Holz zu liefern, das sie über den Winter brauchen. Einen Klafter pro Tag. So viel verbrennen die. Einen Klafter pro Tag.«
    Roy fragt: »Wo haben Sie das gehört?«
    »Im Bierlokal. Ja, da geh ich schon mal rein. Trinke aber immer nur ein Glas. Und diese Männer, ich weiß nicht, wer die waren, aber sie waren auch nicht betrunken. Haben darüber geredet, wo das Waldstück ist, und es war genau dieses hier. Suters Wald.«
    Roy hat erst in der letzten Woche mit dem Farmer geredet und gemeint, alles unter Dach und Fach zu haben für das übliche Ausdünnen.
    »Das ist ein Haufen Holz«, sagt er leichthin.
    »Wohl wahr.«
    »Wenn die alles abholzen wollen, brauchen sie eine Genehmigung.«
    »Und ob. Falls nicht was faul ist«, sagt Percy hochvergnügt.
    »Geht mich nichts an. Ich habe alle Hände voll zu tun.«
    »Glaub ich Ihnen. Alle Hände voll.«
     
    Auf dem Heimweg muss Roy ständig an diese Geschichte denken. Er hat dem River Inn hin und wieder etwas Holz verkauft. Aber jetzt müssen sie beschlossen haben, sich einen festen Lieferanten zu nehmen, und zwar nicht ihn.
    Er denkt über die Probleme nach, jetzt, wo schon Schnee gefallen ist, so viel Holz herauszuholen. Das Einzige, was man machen könnte, wäre, die Baumstämme aufs Feld hinauszuziehen, bevor der richtige Winter einsetzt. Man müsste sie so schnell wie möglich herausholen, sie stapeln, zersägen und später kleinhacken. Und zum Herausholen bräuchte man einen Bulldozer oder wenigstens einen großen Traktor. Man müsste einen Weg planieren und sie mit Ketten herausziehen. Man bräuchte einen Trupp Leute – das ließe sich nie und nimmer alleine oder zu zweit bewerkstelligen. Das muss in großem Stil angegangen werden.
    Es hörte sich also nicht nach einem Teilzeitunternehmen an, wie er eines betreibt. Es könnte eine große Firma dahinterstecken, jemand, der gar nicht aus diesem Landkreis kommt.
    Eliot Suter hatte nichts von diesem Vertrag angedeutet, als Roy mit ihm sprach. Aber es kann gut sein, dass man erst danach an ihn herangetreten ist und dass er beschlossen hat, die formlose Abmachung mit Roy zu vergessen. Beschlossen hat, den Bulldozer hereinzulassen.
    Im Laufe des Abends denkt Roy daran, anzurufen und sich zu erkundigen, was nun ist. Aber dann denkt er, wenn der Farmer sich tatsächlich anders entschieden hat, lässt es sich nicht ändern. Eine mündliche Vereinbarung ist nichts, was man einhalten muss. Der Mann könnte ihm sogar sagen, er soll verschwinden.
    Das Beste für Roy ist wahrscheinlich, einfach so zu tun, als habe er Percys Geschichte nie gehört, nie etwas von dem anderen gehört – einfach hinzugehen und so viele Bäume rauszuholen, wie er kann, bevor der Bulldozer eintrifft.
    Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Percy sich in der ganzen Sache geirrt hat. Es ist unwahrscheinlich, dass er sie erfunden hat, nur um Roy zu ärgern, aber er kann sie missverstanden haben.
    Doch je länger Roy darüber nachdenkt, desto mehr scheidet diese Möglichkeit für ihn aus. Er sieht nur noch den Bulldozer und die Baumstämme an Ketten vor sich, die großen Stapel draußen auf dem Feld, die Männer mit den Kettensägen. So wird das heutzutage gemacht. En gros.
    Einer der Gründe, warum die Geschichte solch einen Eindruck bei ihm hinterlassen hat, ist seine Abneigung gegen das River Inn, ein Kurhotel am

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