Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)
malerisch geschuppt. Die meisten Leute wären überrascht, wie hoch Kirschbäume hier werden – sie sind ganz anders als die Kirschbäume in Obstgärten. Apfelbäume sind ihren Obstgartenvettern ähnlicher – nicht sehr hoch, Rinde nicht so deutlich geschuppt oder so dunkel wie die der Kirschen. Die Esche ist ein soldatischer Baum mit einer wie Cord gerippten Rinde. Die graue Rinde des Ahorns hat eine unregelmäßige Oberfläche, Schatten werfen darauf schwarze Streifen, die manchmal grobe Rechtecke bilden und manchmal nicht. Die Rinde hat eine gemütliche Sorglosigkeit an sich, die gut zum Ahorn passt, einem heimischen und wohlvertrauten Baum, an den die meisten Leute denken, wenn sie an einen Baum denken.
Buchen und Eichen sind ganz anders – sie haben etwas Unverwechselbares und Dramatisches an sich, obwohl beide nicht die schöne Gestalt der großen Ulmen aufweisen, die inzwischen fast alle verschwunden sind. Buche hat die glatte graue Rinde, die Elefantenhaut, die man sich üblicherweise aussucht, um Initialen hineinzuschneiden. Diese Schnitte werden mit den Jahren und Jahrzehnten immer breiter, von den dünnen Messerkerben zu den Klecksen, die die Buchstaben schließlich unleserlich machen, breiter als hoch.
Buchen erreichen im Wald eine Höhe von dreißig Metern. Im Freien wachsen sie ausladender und sind ebenso breit wie hoch, aber im Wald schießen sie empor, die oberen Äste können spitze Winkel bilden und aussehen wie Hirschgeweihe. Aber dieser arrogant wirkende Baum kann an verdrehten Längsfasern leiden, was man an Kräuselungen in der Rinde erkennt. Das ist ein Anzeichen, dass er brechen oder bei starkem Wind umstürzen kann. Was die Eichen anbelangt, so sind sie in diesem Land nicht so zahlreich, nicht so weit verbreitet wie die Buche, aber immer leicht auszumachen. So wie Ahornbäume immer aussehen wie der übliche, unentbehrliche Hinterhofbaum, so sehen Eichen immer aus wie Bäume in Märchenbüchern, als sei in all den Märchen, die mit »Es war einmal mitten im Wald« beginnen, der Wald voller Eichen. Ihre dunklen, glänzenden, kunstvoll eingekerbten Blätter tragen zu diesem Aussehen bei, aber sie wirken ebenso märchenhaft, wenn das Laub abgefallen ist und die dicke, korkige Rinde mit ihrer grauschwarzen Farbe und ihrem verschlungenen Muster und auch die teuflisch gewundenen und gekrümmten Äste gut zu sehen sind.
Roy meint, es sei nahezu ungefährlich, alleine Bäume zu fällen, solange man weiß, was man tut. Wenn man einen Baum fällen will, muss man als Erstes seinen Schwerpunkt ermitteln, dann einen Siebzig-Grad-Keil hineinschneiden, so dass der Schwerpunkt genau darüber liegt. Die Seite, auf der sich der Keil befindet, gibt natürlich die Richtung vor, in die der Baum fallen wird. Von der gegenüberliegenden Seite her macht man den Fällschnitt, nicht, um eine Verbindung zum Keilschnitt herzustellen, sondern auf einer Ebene mit dessen höchstem Punkt. Der Gedanke dahinter ist, den Baum so zu durchschneiden, dass ein hölzernes Scharnier entsteht, das sich genau im Schwerpunkt des Baumes befindet und von dem aus er fallen muss. Am besten ist, wenn er fällt, ohne andere Äste zu streifen, aber manchmal lässt sich das nicht bewerkstelligen. Wenn ein gefällter Baum in den Ästen anderer Bäume hängt und man kein Fahrzeug in Stellung bringen kann, um ihn mit einer Kette herauszuziehen, dann schneidet man den Stamm von unten her in Stücke, bis der obere Teil freikommt und herabstürzt. Wenn man einen Baum gefällt hat und er auf seinen Ästen lehnt, holt man den Stamm auf den Boden, indem man die unteren Äste absägt, bis man zu den Ästen gelangt, die ihn hochhalten. Diese Äste stehen unter Druck – sie können gespannt sein wie ein Bogen –, und es geht darum, sie so abzusägen, dass der Stamm von einem wegrollt und die Äste einen nicht erschlagen. Wenn der Stamm sicher auf dem Boden liegt, muss man ihn in Scheiben schneiden, die Ofenlänge haben, und diese dann mit der Axt spalten.
Manchmal gibt es eine Überraschung. Einige verwachsene Holzklötze lassen sich nicht mit der Axt spalten; sie müssen auf die Seite gelegt und mit der Kettensäge aufgeschnitten werden; wenn so entlang den Fasern geschnitten wird, bildet das Sägemehl lange Schnitzel. Manchmal muss auch Buche oder Ahorn von der Seite gespalten werden, der große runde Kloben wird auf allen Seiten entlang den Jahresringen aufgehackt, bis er fast quadratisch ist und sich leichter zerkleinern lässt. Manchmal
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