Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)
dass nur Bücher, die in diesem Geschäft gekauft worden sind, signiert werden können und dass eine bestimmte Anthologie, in der eine von Christie O’Dells Erzählungen abgedruckt ist, leider nicht zugelassen werden kann.
Die Frau direkt vor Joyce ist sowohl groß als auch breit, und so kann sie erst einen Blick auf Christie O’Dell werfen, als diese Frau sich vorbeugt, um ihr Buch auf den Signiertisch zu legen. Und sieht eine junge Frau, die ganz anders ist als das Mädchen auf dem Plakat und auf der Party. Die schwarze Aufmachung ist verschwunden, auch der schwarze Hut. Christie O’Dell trägt eine Jacke aus rosarotem Seidenbrokat mit Goldperlchen auf dem Revers. Darunter ein zartes rosa Blüschen. Ihre Haare schimmern von einer frischen Goldtönung, sie hat goldene Ringe in den Ohren und eine goldene Kette, dünn wie ein Haar, um den Hals. Ihre Lippen glänzen wie Blütenblätter, und ihre Augenlider leuchten goldbraun.
Aber schließlich – wer will schon ein Buch kaufen, das von einer trüben Tasse geschrieben worden ist?
Joyce hat sich nicht überlegt, was sie sagen will. Sie meint, dass es ihr schon einfallen wird.
Jetzt redet wieder die Verkäuferin.
»Haben Sie Ihr Buch bei der Seite aufgeschlagen, die Sie signiert haben möchten?«
Joyce muss die Konfektschachtel abstellen, um das zu tun. Sie spürt tatsächlich ein Zittern in der Kehle.
Christie O’Dell schaut zu ihr hoch und lächelt – ein Lächeln von förmlicher Herzlichkeit, beruflicher Unverbindlichkeit.
»Ihr Name?«
»Einfach Joyce ist gut.«
Ihre Zeit geht so rasch vorbei.
»Sind Sie in Rough River geboren worden?«
»Nein«, sagt Christie O’Dell mit leichtem Missfallen oder zumindest mit leicht verminderter guter Laune. »Ich habe eine Zeitlang da gelebt. Soll ich das Datum hinschreiben?«
Joyce nimmt die Schachtel wieder an sich. Im Bon Chocolatier führten sie zwar Schokoladenblumen, aber keine Lilien. Nur Rosen und Tulpen. Also hatte sie Tulpen gekauft, die eigentlich von Lilien gar nicht so verschieden waren. Beides Zwiebelgewächse.
»Ich möchte Ihnen für die ›Kindertotenlieder‹ danken«, sagt sie so hastig, dass sie das lange Wort halb verschluckt. »Die Geschichte bedeutet mir sehr viel. Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht.«
»Ist das nicht eine wunderbare Geschichte?« Die Verkäuferin nimmt ihr die Schachtel ab. »Ich werde drauf aufpassen.«
»Es ist keine Bombe«, sagt Joyce mit einem Auflachen. »Es sind Schokoladenlilien. Eigentlich sind es Tulpen. Lilien gab es nicht, also habe ich Tulpen genommen, die fand ich dann noch am besten.«
Sie merkt, dass die Verkäuferin nicht mehr lächelt, sondern sie prüfend mustert. Christie O’Dell sagt: »Vielen Dank.«
In ihrem Gesicht zeigt sich nicht die leiseste Spur eines Wiedererkennens, weder der Joyce vor vielen Jahren in Rough River noch der Joyce vor zwei Wochen auf der Party. Ihr ist nicht einmal anzumerken, ob sie den Titel ihrer eigenen Erzählung erkennt. Man könnte denken, dass sie damit nichts zu tun hat. Als sei es nur etwas, aus dem sie sich hinausgeschlängelt und das sie im Gras liegengelassen hat.
Christie O’Dell sitzt da und schreibt ihren Namen hin, als wären das die einzigen geschriebenen Worte, die sie in dieser Welt zu verantworten hätte.
»Es war ein Vergnügen, sich mit Ihnen zu unterhalten«, sagt die Verkäuferin und hat immer noch ein Auge auf die Schachtel, die im Bon Chocolatier mit einer gekringelten gelben Schleife versehen worden ist.
Christie O’Dell hat den Blick gehoben, um die nächste Person in der Reihe zu begrüßen, und Joyce ist endlich vernünftig genug, weiterzugehen, bevor sie sich zum Gespött macht oder gar die Polizei sich für ihre Schachtel interessiert.
Als sie die Lonsdale Avenue hinaufgeht, immer weiter bergauf, ist sie anfangs geknickt, gewinnt aber langsam ihre Fassung zurück. Daraus lässt sich vielleicht sogar eine Anekdote machen, die sie eines Tages erzählen kann. Es würde sie nicht wundern.
Der Grat von Wenlock
Meine Mutter hatte einen Cousin, der Junggeselle war und uns auf der Farm jeden Sommer einen Besuch abzustatten pflegte. Er brachte stets seine Mutter mit, Tante Nell Potts. Er selbst hieß Ernie Potts. Er war ein großer, stämmiger Mann mit gutmütigem Gesichtsausdruck, mächtigem, breitem Kopf und hellem, krausem Haar, das rund um seine Stirn spross. Seine Hände und seine Fingernägel waren so sauber wie Seife, und um die Hüften herum war er ein wenig plump. Bei mir
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