Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)
drehten sie sich die Haare auf und lackierten sich die Fingernägel, weil sie abends mit ihren Freunden verabredet waren. Am Sonntag mussten sie das Gesicht mit Lotion behandeln, weil die Bartstoppeln ihrer Freunde es zerkratzt hatten. Ich fand beide Freunde nicht im mindesten begehrenswert und fragte mich, was sie an denen reizte.
Sie sagten, dass sie früher mal die verrückte Vorstellung gehabt hatten, Dolmetscherinnen bei den Vereinten Nationen zu werden, aber inzwischen sei ihnen klar, dass sie an einer Highschool unterrichten und mit etwas Glück heiraten würden.
Sie gaben mir unwillkommene Ratschläge.
Ich hatte mir einen Job in der College-Mensa besorgt. Ich schob einen Wagen herum, räumte das schmutzige Geschirr von den Tischen ab und wischte sie sauber, wenn sie leer waren. Und ich füllte die Selbstbedienungstheke mit Speisen auf.
Sie sagten, dieser Job sei keine gute Idee.
»Jungs werden sich nicht mit dir verabreden, wenn sie dich bei solch einer Arbeit sehen.«
Das erzählte ich Ernie, und er fragte: »Und was hast du geantwortet?«
Ich berichtete ihm, ich hätte gesagt, ich würde ohnehin nicht mit jemandem ausgehen wollen, der so urteilte, also wo sei das Problem?
Jetzt hatte ich den richtigen Ton getroffen. Ernie strahlte; er hieb mit den Händen auf die Luft ein.
»Völlig richtig«, sagte er. »Das ist genau die richtige Haltung. Ehrliche Arbeit. Hör niemals auf jemanden, der dich wegen ehrlicher Arbeit kleinmachen möchte. Kümmere dich gar nicht um den. Behalt deinen Stolz. Jedem, dem das nicht passt, dem sag, er kann dich mal.«
Diese Rede von ihm, die Rechtschaffenheit und die Zustimmung, die sein breites Gesicht erleuchteten, die Heftigkeit seiner begeisterten Gesten weckten in mir die ersten Zweifel, den ersten finsteren Verdacht, dass an der Warnung doch etwas dran sein könnte.
Ein Zettel war unter meiner Tür durchgeschoben worden, auf dem stand, dass Beth mich sprechen wollte. Ich hatte Angst, es gehe um meinen Mantel, der zum Trocknen über dem Treppengeländer hing, oder darum, dass meine Schritte auf der Treppe zu viel Lärm machten, wenn ihr Mann Blake (manchmal) und die Babys (immer) tagsüber schlafen mussten.
Die Tür öffnete sich zu einer Szene elenden Wirrwarrs, in dem Beth offenbar alle ihre Tage zubrachte. Nasse Wäsche – Windeln und müffelnde Wollsachen – hing von der Decke, Flaschen blubberten und klapperten in einem Sterilisator auf dem Herd. Die Fenster waren beschlagen, und auf allen Stühlen lagen feuchte Wischlappen oder schmutzige Stofftiere. Der größere Säugling klammerte sich an die Stäbe des Laufställchens und stieß anklagendes Geheul aus – Beth hatte ihn offenbar gerade dort hineingesetzt –, und der kleinere saß in dem Hochstühlchen, um seinen Mund herum klebte wie ein Ausschlag breiige, kürbisfarbene Babynahrung.
Beth sah mich aus all dem mit einem verkniffenen Ausdruck der Überlegenheit auf ihrem kleinen, flachen Gesicht an, als wolle sie sagen, dass nicht viele Menschen so gut wie sie mit solch einem Albtraum zurechtkommen konnten, auch wenn die Welt zu kleinlich war, um das anzuerkennen.
»Als Sie eingezogen sind«, sagte sie, dann sprach sie lauter, um mit dem größeren Säugling mitzuhalten, »als Sie eingezogen sind, habe ich Ihnen doch gesagt, dass da oben Platz genug für zwei ist?«
Nicht in Kopfhöhe, wollte ich antworten, aber sie redete einfach weiter und teilte mir mit, dass noch ein Mädchen einziehen werde. Sie werde von Dienstag bis Freitag da sein, als Gasthöhrerin am College.
»Blake wird heute Abend das Gästebett reinstellen. Sie wird nicht viel Platz brauchen. Ich glaube nicht, dass sie viele Sachen mitbringen wird – sie wohnt in der Stadt. Sie hatten das jetzt sechs Wochen lang für sich allein, und das wird ja auch an den Wochenenden so bleiben.«
Kein Wort von weniger Miete.
Nina brauchte wirklich nicht viel Platz. Sie war klein und bedachtsam in ihren Bewegungen – sie stieß nie mit dem Kopf gegen die Dachbalken wie ich. Sie verbrachte viel Zeit damit, im Schneidersitz auf dem Gästebett zu sitzen, ihre brünetten Haare fielen ihr ins Gesicht, über ihrer kindlich weißen Unterwäsche trug sie einen weiten Kimono. Sie hatte schöne Sachen – einen Kamelhaarmantel, mehrere Kaschmirpullover, einen Schottenrock mit großer Silberspange. Genau die Kleidung, wie sie in einer Illustrierten abgebildet sein konnte, in einem Artikel zu dem Thema »Wie Sie Ihre Tochter für ihr neues
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