Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu viele Flueche

Zu viele Flueche

Titel: Zu viele Flueche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
Vom Netzwerk:
»Dann strudelt er.«
    »Warum tut er das?«
    Nessy zuckte die Achseln.
    Sie blätterte noch ein paar Minuten in dem Notizbuch herum, bis sie sich bereit fühlte, ein paar eigene Experimente zu beginnen. Mithilfe des Nurgax kippte sie die Wanne um und goss den Amöbenschlamm auf den Boden.
    »Du hast recht.« Yazpib sah stirnrunzelnd auf die Schmiere hinab, die sich auf dem Steinboden ausbreitete. »Ich hab nicht viel verpasst.«
    Nessy beugte sich hinab und steckte einen Finger in die warme Pfütze. »Enteignung!«, sagte sie in strengem Befehlston.
    Der Schlamm hörte zu blubbern auf. Langsam zog er sich zu einem Klumpen in Koboldform zusammen, und eines nach dem anderen arbeiteten sich Details heraus. Zuerst die Augen. Dann die Ohren. Dann die Füße. Dann kamen die Beine, die Nessy aber nicht so ganz richtig vorkamen. Eine Schnauze und ein Mund streckten sich. Arme wuchsen. Hände und Finger sprossen. Und innerhalb von nur wenigen Minuten stand ein perfektes Duplikat von Nessy vor ihnen.
    Fast perfekt. Es war nackt und kahl, und die Haut erschien zu frisch und neu. Das fehlende Fell hatte sie bereits erwartet. Der Schlamm hatte auch vorher schon Widerstreben gezeigt, Haare nachzubilden. Doch sich selbst in solch einem Zustand zu sehen, und sei es nur als dreidimensionale Kopie, das war ganz widerlich. Sie legte eine Hand auf die neue Schulter der Kreatur.
    »Enteignung!«
    »Enteignung«, wiederholte der Schlamm teilnahmslos. Reproduktionen von Nessys Kleidung knospten auf seinem Körper. Wie die Haut der Kreatur wirkten auch die Kleider zu vollendet, völlig flecken- und faltenfrei.
    »Das ist beeindruckend«, sagte Yazpib.
    »Das ist beeindruckend«, stimmte der Schlamm zu.
    »Macht er das immer?«, fragte Echo.
    »Macht er das immer?«, fragte der Schlamm.
    »Er ahmt nach«, sagte Nessy.
    »Er ahmt nach.«
    »Kannst du ihn nicht dazu bringen, dass er damit aufhört?«
    »Kannst du ihn nicht dazu bringen, dass er damit aufhört?«
    »Verschwiegenheit«, befahl Nessy, und der Schlamm schwieg.
    »Ich dachte, du verstündest nicht viel von Magie«, sagte Yazpib.
    »Das tue ich auch nicht. Das sind alles antrainierte Reaktionen.« Sie ging zu einem Gefäß voller toter Grillen, nahm eine Handvoll heraus und warf sie dem Schlamm zu. Reglos nahm er seine Belohnung an, die er unmittelbar durch seine Pseudohaut absorbierte.
    »Wenn ich einen Magen hätte, wäre mir jetzt schlecht«, sagte Echo. »Wozu brauchen wir denn dieses Ding?«
    »Margle hat den Schlamm versehentlich geschaffen«, sagte Nessy. »Aber seine Theorie war die, dass er so abgerichtet werden kann, einflussreiche und mächtige Männer durch nicht zu unterscheidende Duplikate ersetzen zu können, die er dann kontrolliert hätte. Das größte Problem dürfte sein, dass der Schlamm immer noch nichts weiter als ein Pilz mit mimetischen Eigenschaften ist. Aber man kann ihn lehren, oder - genauer gesagt - konditionieren, auf Reize zu reagieren.«
    »Unglaublich, Nessy«, sagte Yazpib. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du in alchemistischen biologischen Studien so versiert bist.«
    »Bin ich auch nicht.« Sie hielt den Notizblock hoch und deutete auf den Abschnitt, den sie gerade wiederholt hatte, bevor sie weiterlas. »Der Schlamm ist allerdings im Augenblick noch zu instabil. Seine Veranlagung zum Nachahmen kann reflexartig und unvorhersehbar reagieren.«
    Das Nurgax schnupperte an dem Schlamm. Es winselte, dann knurrte es und stupste den Schlamm derb an. Nessys steifes Double fiel um. Seine unperfekt perfekte Haut färbte sich tief rotblau und Hörner sprossen an mehreren unpraktischen Stellen.
    »Amorph!«, befahl Nessy. Ihre Kopie triefte nun und schmolz in die natürliche Form des Schlamms zurück.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum wir ihn überhaupt brauchen«, beharrte Echo.
    Als Antwort gab Nessy noch einen Befehl: »Simuliere Margle.«
    Die Reaktion des Schlamms kam augenblicklich. Während seine Transformierung in Nessy Minuten gedauert hatte, brauchte es für diese Gestalt nur ein Schlürfen und einen Knall. Margle - oder zumindest eine relativ überzeugende Reproduktion - stand vor ihnen. Er war allerdings nicht perfekt. Wie Nessys Gestalt wirkte auch er ein klein wenig unfertig, es fehlten nur die gewissen Details, die man nicht vermisste, bis sie dann aber doch fehlten. Keine Falten um die Augen. Zu symmetrische Nasenlöcher. Zu stark gewölbte Augenbrauen. Und sein simuliertes Gewand schwang nicht in der Brise, die durch die Labore wehte.

Weitere Kostenlose Bücher