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Zu viele Flueche

Zu viele Flueche

Titel: Zu viele Flueche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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vielleicht, aber auch fordernd und zehrend. Und Nessy war bewusst, dass sich um das Schloss zu kümmern auch bedeutete, sich um sich selbst zu kümmern. Erschöpft zu arbeiten, das führte zu Schlamperei und Fehlern, und jetzt war nicht die Zeit für Fehler. Nicht, wenn innerhalb der Schlossmauern so viel vor sich ging. Es war besser, sich ein bisschen auszuruhen und sich frischen Blickes mit den Dingen zu befassen. Es gab immer noch viel zu tun, aber das musste mindestens bis zum Morgen warten. Und wenn in diesen flüchtigen Stunden die Katastrophe hereinbrach, dann konnte sich Nessy sowieso nicht vorstellen, dass sie damit fertigwerden würde. Also schleppte sie sich in ihre Ecke im Flur, rollte sich auf ihrer Pritsche zusammen und schloss mit letzter Kraft die Augen.
    »Lesen wir heute Abend nicht?«, fragte das Monster unter ihrem Bett.
    Sie hielt die Augen geschlossen. »Tut mir leid. Vielleicht morgen.«
    »Das sind schon zwei Nächte hintereinander!«
    »Ich hatte sehr viel zu tun«, murmelte sie leise. Sie war beinahe schon eingedöst, als das Monster erneut das Wort ergriff.
    »Es gibt jemand anderen, oder?«
    Sie hatte weder die Energie noch das Interesse, zu fragen, was er damit meine. Sie gähnte nur und dachte darüber nach, sich die Ohren mit ihrem Kissen zuzuhalten und sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Aber Margle hatte ihr niemals ein Kissen und auch keine Decke gegeben. Doch selbst wenn sie solchen Luxus besessen hätte, wäre es unverzeihlich unhöflich gewesen, und so müde war sie noch nicht.
    »Du hast noch ein anderes Monster, oder? Das ist es. Du hast jemanden gefunden, den du lieber magst.«
    Es wertete ihr ausbleibendes Leugnen als Schuldeingeständnis. Mit seinen drei Augen starrte es finster zu ihr hinauf. »Es ist das Monster in der Truhe. Es ist das ganze Gold, das er besitzt, stimmt’s? Du weißt aber schon, dass das nicht echt ist. Und es ist verflucht. Wenn du auch nur eine Münze ausgibst, bekommst du die Fäule. All deine Gliedmaßen werden abfallen. Sogar dein Schwanz. Und dann der Gestank. Oh, der Gestank ist furchtbar. Ehe du dich versiehst, ziehst du Fliegen an und bist voller Maden. Überall Maden. Sind dir schon mal Maden die Nase hochgekrochen? Das ist schrecklich unangenehm. Das würdest du nicht wollen.«
    »Nein«, gab sie ihm recht. »Das würde ich nicht wollen.«
    Das Monster unter ihrem Bett schwieg gerade so lange, dass sie glaubte, das Thema sei nun beendet.
    »Es ist doch nicht das Monster unter den Holzdielen, oder?«, wollte es wissen. »Die kenne ich nur zu gut. Sie verspricht dir, dir drei Wünsche zu erfüllen, wenn du sie befreist. Aber glaube ihr bloß nicht. Sie würde dich nur auffressen, sobald sie frei ist.«
    Nessy wälzte sich herum.
    »Es ist nicht das in den Katakomben, oder? Das immer so herumschleicht.«
    »Es gibt kein anderes Monster«, sagte sie.
    Das Monster unter ihrem Bett zog sich tiefer in die Dunkelheit zurück, bis seine schimmernden Augen kaum noch sichtbar waren. »Wer’s glaubt, wird selig …« Es murrte laut genug weiter, sodass man es zwar hören, aber nicht verstehen konnte. Doch inzwischen war sie schon tief und fest eingeschlafen.
    Das Schloss dagegen schlief nicht. Nicht in dieser Nacht. Stattdessen ächzte und knarrte es, rumpelte und bebte. All die finsteren Kreaturen darin, all die Monster, Schrecken und dunklen Zauberinnen innerhalb seiner Wände waren nichts gegen die heimtückische Seele des Schlosses selbst. Doch das Schloss war nicht nur böse. Es hatte, wenn auch eher durch Zufall, einen gewissen Grad an Zuneigung, einen Funken Fürsorge und Mitgefühl für seine Bewohner entwickelt. Diese Eigenschaften, selbst wenn sie noch so geringfügig waren, kämpften gegen die stärkere Verdorbenheit des Schlosses an. Die Zuneigung knabberte am metaphorischen kleinen Zeh des Schlosses, während das Mitgefühl hinter seinem bildlichen Ohr wie verrückt juckte. Keines von beiden fügte ihm mehr als Ärger zu, und das machte das Schloss noch gefährlicher. In der zweiten Nacht ohne seinen Meister lockerten sich die Fesseln, die es im Zaum hielten, ein ganz klein wenig.
    Und in diesem hauptsächlich bösen, nur ein wenig guten und extrem verärgerten Schloss begannen nun einige Dinge zu geschehen.
     
    ***
     
    Der Demontierte Dan schlief nicht. Das war nichts Neues. Das hatte er ja nie getan, auch nicht, als er noch lebte. Als Junge hatte er die ganze Nacht aufrecht gesessen. Er hatte auf seinem Stuhl gesessen und zum Mond

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