Zu viele Flueche
Höllenqualen zu sinnieren, sogar über seine eigenen. Vielleicht würde er dem uneingeschränkten Herrscher aller Dämonen zum Fraß vorgeworfen, um verzehrt, verdaut und ausgeschieden zu werden: zum Frühstück, Mittag- und Abendessen (und jeden zweiten Samstag zum Brunch). Oder er würde abwechselnd geröstet und eingefroren werden, während er aufgedunsenen stygischen Cherubinen mit rasiermesserscharfen Zähnen die Brust gab. Möglicherweise würde auch nur eine große, stinkende Kreatur auf ihm sitzen, während ein Chor von unmusikalischen, verlotterten Teufeln Volksmusik sang. Was auch immer seine Marter sein würde, Margle würde sich mit nichts weniger als einer zelebrierten, einzigartigen Verdammnis zufriedengeben. Das war auch sein gutes Recht als bedeutender schwarzer Magier.
Bislang wurde ihm dieses allerdings verwehrt. Sein Schloss, diese leere Version eines Schlosses, war ärgerlich und lästig, und es war verflucht noch mal seiner nicht würdig. Es mochte vielleicht sogar eine gewisse poetische Gerechtigkeit darin liegen, allein in diesen öden Fluren und Kammern herumzuwandern, aber es war wohl kaum furchterregend. Nachdem er mehrmals vom einen zum anderen Ende und wieder zurück durch das unbewohnte, unmöblierte Schloss spaziert war, wäre ein kreischender Dämon ein willkommener Anblick gewesen. Auch wenn es nur ein kleiner mit einer winzigen Mistgabel war, der ihm in die Schienbeine piekste.
Oft hörte er Geräusche, als jage gerade noch etwas außerhalb seines Sichtfeldes herum oder als flüstere etwas knapp außer Hörweite. Doch er hatte noch keine Spur der Quelle dieser Geräusche gefunden, und er begann sie langsam für die Grundlage aufkeimenden Wahnsinns zu halten. Er hatte zwar immer gewusst, dass die Qualen der Hölle bewusst unerträglich gestaltet waren, aber er hatte sich nie vorstellen können, dass er selbst so leicht zu brechen war. Es waren doch jetzt erst ein paar Tage Einsamkeit. Oder vielleicht auch Wochen. Nicht länger als ein Jahr oder zwei, wenn die Zeit auch schwer abzuschätzen war, denn dieses Schloss besaß keine Fenster, keine Tage und Nächte - und körperlich wurde er nicht müde. »Genug.«
Die Stimme ließ ihn erschreckt zusammenzucken, bevor er merkte, dass es seine eigene war.
Wenn das hier seine Hölle war, dann musste er ihr entfliehen. Es gab nur eine Sache in diesem Schloss, die auch im echten Schloss existiert hatte. Es war das Eine auf der ganzen Welt, das Margle immer schon gefürchtet hatte.
Die Tür Am Ende Des Flurs.
Nur dass die Tür hier noch unheilverkündender war. Der Flur war lang und so gewunden wie ein Korkenzieher. Und die Tür war riesig, ihre Bohlen waren wie die spitzen Zähne eines dreißig Fuß hohen Schlunds geschnitten. Sie war nicht verriegelt. Noch gab es irgendwelche Runen darauf. Aber es war trotz allem Die Tür Am Ende Des Flurs. Daran hatte Margle keinerlei Zweifel.
Als er den Flur entlangging, hörte er das Flüstern wieder. Diesmal konnte er es nicht für Einbildung halten. Es war eine Stimme, die laut und deutlich sprach. Margle kannte viele verbotene und gottlose Sprachen, aber er verstand sie nicht. Die Steine krümmten sich unter seinen Füßen, und er hatte das Gefühl, als werde er gleich davontreiben. Das tat er dann auch. Die Ziegel des Schlosses fielen in die Schwärze herab. Es gab nur noch Margle, die Tür und sonst nichts.
In seinem eigenen Schloss wusste er nicht genau, was sich hinter seiner Tür Am Ende Des Flurs befand, was doch merkwürdig war, wenn man bedachte, dass er sie schließlich geschaffen hatte. Es war maßlose Magie, zu mächtig, um ungeschehen gemacht zu werden, und es war selbst für einen schwarzen Magier noch zu gefährlich, sie zu entfesseln. Aber er war sehr tot, sehr ungeduldig. Er nahm den riesenhaften Türgriff mit beiden Händen und schob. Das Flüstern erstarb. Die Tür ächzte.
Sie rührte sich nicht vom Fleck.
»Man kann sie nicht öffnen«, sagte jemand. »Nicht von dieser Seite aus.«
Margle zögerte. Er war nicht sicher, ob er selbst wieder derjenige gewesen sein mochte, der da sprach.
»Wo bist du? Zeig dich!«, rief er also und meinte damit niemanden im Besonderen und alle gleichermaßen. »Ich verlange, meinen Peiniger zu kennen! Nach dem Dreizehnten Konkordat der Verdammnis ist es mein Recht!«
Die Stimme klang jetzt tiefer. Sie lachte und schickte damit grollenden Donner durch die Luft. »Du bist nicht in der Hölle. Zumindest in keiner Hölle der Unterwelt. Die
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