Zu viele Flueche
worden war. Nichts weiter als eine nekromantische Neuheit. Aber sie waren untot, und sie hoffte, dem Hund werde der Unterschied egal sein.
Sie hielt die Zwergenhand nahe an den Hund heran. Er rührte sich. Ein Auge ging auf, dann knurrte er ausgehungert.
Zufrieden begann Nessy mit ihrer Aufgabe. In einfachen Tätigkeiten lag die wahre Schönheit, dachte sie oft. Nichts fühlte sich so befriedigend wie ein gutgefegter Flur oder das Glänzen polierten Messings oder ein Regal voller Bücher in der richtigen Reihenfolge an. All ihre Meister hatten solch mühevolle Arbeit für unter ihrer Würde gehalten. Immer waren sie zu sehr mit anderen Angelegenheiten beschäftigt gewesen, mit ihrer Magie eben. Hatten diese studiert. Hatten darüber geschrieben. Hatten wie Kinder mit ihr gespielt, vollkommen vertieft. Ein Zauberer konnte möglicherweise eine Stadt schrumpfen. Ein anderer schrumpfte dann ein ganzes Königreich und steckte es in eine Flasche, die er auf seinen Kaminsims stellte. Ein Dritter tat dasselbe und brachte die winzigen Leute dazu, ihn als Gott zu verehren. Und so weiter und so weiter, bis die Absurdität den Aberwitz überstieg. Und der Aberwitz sie verschlang. Das war das wahre Geheimnis der Magie, wie sie wusste. Sie war fast völlig sinnlos.
Vielleicht ließ sie eine einfache Aufgabe leichter werden, das musste sie zugeben, aber auch nur ein wenig. Das Einzige, wozu Magie wirklich gut war, waren großartige Kunststücke von vollständiger Wertlosigkeit. Dieses Schloss war doch das beste Beispiel dafür: Jeder Fluch, der durch seine Flure streifte, war ein Meisterwerk grandioser Nutzlosigkeit. Natürlich hatte Margle eine unglaubliche Macht besessen. Menschen hatten beim Klang seines Namens gezittert, und viele bewunderten und beneideten ihn. Doch nicht Nessy, denn sie wusste das Einzige, was alle Großen (und alle, die Größe erlangen wollten) niemals lernten.
Das Schicksal des Universums lag nicht in den Händen von Riesen. Dagegen konnte man es viel eher in den kleinsten Dingen finden. Alles, was gut gemacht wurde, war eine würdige Leistung, ob man nun arkane Geheimnisse enthüllte oder Flure fegte, Königreiche aus dem Ozean hob oder Teller spülte. Alle Aufgaben, groß oder klein, galten am Ende gleich viel. Ohne Bauern konnte es keine Könige geben. Ohne Soldaten gab es keine Armeen. Ohne Nessy gab es ein sehr staubiges, unordentliches Schloss. Und auch wenn keiner ihrer Herren sich die Hände damit schmutzig machte, um zu tun, was getan werden musste, hatte sie doch noch keinen Zauberer getroffen, der auf seinen geschrumpften Städten gerne Staub hatte.
Ein grüngoldener Kolibri flitzte an ihre Seite. »Was machst du?«
»Hallo, Humbert.«
»Hallo, Nessy. Was machst du da? Was ist das? Sind das Leichenteile? Ist das ein Finger? Sind das Augen?«
Er schoss die Fragen fast genauso schnell ab, wie seine winzigen Flügel schlugen. Sie hatte keine Ahnung, wo er die Energie hernahm. Oder wie er im Schloss überhaupt genug Nektar zum Überleben fand. Solche kleinen Mysterien kümmerten sie allerdings wenig.
Humbert schwirrte um ihren Kopf herum. »Sie bewegen sich! Sie bewegen sich! Warum bewegen sie sich?«
»Sie sind zombifiziert.« Sie hielt den Wagen an und griff in den Eimer mit den Organen.
»Das ist ekelhaft! Ist es schleimig? Ich wette, es ist schleimig.«
»Eigentlich sind sie alle ausgetrocknet.« Sie zog ein kurzes Stück Darm heraus. Er ringelte sich ihren Arm hinauf und gab sich die größte Mühe, sich um ihre Kehle zu wickeln. Da warf sie ihn auf den Boden und hielt ihn mit dem Fuß dort fest, während sie eine Kelle in einen Kübel mit brackiger Jauche tauchte.
»Was ist das?« Humbert flog so nahe an ihr Ohr heran, dass sein Summen ihren Kopf erfüllte. Sanft schob sie ihn beiseite.
»Flusstrollschleim.« Sie schleuderte ihn auf den Darm, der sich wand. Der geschwärzte Fleischschlauch drehte und kringelte sich, blieb aber, wo er war.
»Warum tust du das?«
»Damit er sich nicht davonschlängelt.«
»Warum Trollschleim?«
»Weil er sehr klebrig ist, man ihn aber mit Seife und Zitronensaft leicht wieder wegputzen kann.«
»Warum klebst du tote Dinge auf den Boden?«
»Um den Höllenhund dort hinzulocken, wo ich ihn hin haben will.«
»Wo willst du ihn hin haben?«
Bevor sie antworten konnte, schoss Humbert den Flur entlang, um drei Augäpfel zu inspizieren, die in zwanzig Fuß Entfernung klebten. Dann schwirrte er weiter, um sich ein paar Finger noch einmal zwanzig
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