Zu viele Flueche

sagte Yazpib. »Es ist ein Rückschlag. Und noch dazu ein unbedeutender.«
    Ein entferntes Rumpeln ließ den hohen Spiegel erzittern. Ein zweiter - lauterer - dumpfer Aufschlag folgte. Dann ein drittes Dröhnen. Der Raum, der von dem Spiegel zurückgeworfen wurde, bebte bei jedem Schlag.
    »Und das?«, knurrte Sir Thedeus. »Ist das auch ein unbedeutender Rückschlag?«
    »Das ist nur ein Zipferlak«, sagte Yazpib. »Muss das Portal gespürt haben. Wir brauchen nur den Bann zu brechen.«
    »Was ist ein Zipferlak?«, fragte Dodger.
    »Eigentlich gar nichts. Nur eine Unsinns-Kreatur. Eher lästig als sonst etwas.«
    Etwas im Spiegelbild kreischte und der Spiegel splitterte.
    »Sprich mir nach.« Yazpib sprach die einfache sechssilbige Beschwörungsformel langsam und deutlich genug, dass selbst ein Kind sie hätte nachsprechen können. Falls das Kind sie gehört hätte. Aber es war nahezu unmöglich, etwas anderes als das durchdringende Kreischen des Zipferlaks zu hören.
    Sir Thedeus’ Ohren reagierten besonders sensibel auf die schmerzhafte Frequenz. »Wie war das, Mann?«
    »Ichsagte …«
    Etwas hämmerte gegen die Tür im Spiegelbild, sodass zu dem überwältigenden Kreischen auch noch ein ohrenbetäubendes Hämmern kam.
    »Sprich lauter, Mann!«
    Melvin öffnete ein Auge, erhaschte einen Blick auf Sir Thedeus und wurde zur Kopie des Flughundes. Er schloss die Augen wieder und hielt sich die Ohren zu. »Was passiert hier?«
    Dodger krabbelte in den Samtbeutel und vergrub ihren Kopf in seinen Falten. Fortune machte einen Katzenbuckel und sträubte sein Nackenfell. Von seinem eisigen Schwanz regnete Frost auf das Bett herab.
    »Oh, ich wusste ja, das war eine dumme Idee!«, schrie Sir Thedeus. »Du verdammter Idiot!«
    Yazpib schrie eine ähnlich unfreundliche Antwort, aber sie ging im Gedonner der gespiegelten Tür unter, die in Splitter zerschlagen wurde. Ein großes Reptil quetschte sich durch den Türrahmen. Der Zipferlak war eine Ansammlung von falsch zusammengesetzten Teilen. Sein Körper war eine riesige, violette Kugel, sein Hals so lang und dünn wie ein Strohbündel. Zwei schielende Augen und ein Gebiss mit schiefen Zähnen dominierten den Kopf. Er hatte zwei Hörner. Eines war nach unten gerichtet. Das andere war wie ein Korkenzieher gedreht. Ein Fuß war ein Elefanten-, der andere ein Entenfuß. Einer seiner Flügel war klein, gelb und fedrig. Der andere war riesig, schwarz und ledrig.
    Der Kopf der Bestie drehte sich in seltsamen Winkeln, während sie sich abmühte, ihr blaues und ihr rotes Auge scharfzustellen. Sie heulte. Dann rülpste sie. Und schnatterte wie eine Gans. Der Zipferlak griff an, auf seinen ungleichen Beinen wild schwankend.
    »Schnell, sprich mir nach …«, sagte Yazpib.
    »Keine Zeit, Mann!« Sir Thedeus warf sich mit seinem winzigen Körper in den Spiegel. Taumelnd krachte er zu Boden. »Da hast du’s.«
    »Du Idiot, das bricht den Bann doch nicht!«
    Durch eine der größeren Glasscherben quetschte sich der Zipferlak ins echte Gästezimmer. Die vorher riesenhafte Bestie war jetzt nur noch so groß wie eine größere Katze.
    Der Zipferlak atmete ein und verdoppelte seine Größe. Er rülpste buchstäblich eine lange, blaue Flamme hervor.
    Dodger flitzte unters Bett. Sir Thedeus flog auf den Bettpfosten. Melvin öffnete die Augen und verwandelte sich zischend in Yazpibs Doppelgänger, was eine Flucht unmöglich machte.
    Der Zipferlak schnatterte. Seine Wangen bliesen sich auf, und er spie einen Haufen Federn aus, die den Boden sechs Zoll hoch bedeckten. Die Daunen brachten ihn dazu, zuerst einen Dolch, dann ein Buch und dann eine Bowlingkugel zu niesen, die um ein Haar Yazpibs Glas zerschmettert hätte.
    Melvin verwandelte sich in ein Double des Zipferlaks. Das Original erstarrte und taumelte mit dem Gang eines Betrunkenen vorwärts.
    »So ist es richtig, Junge«, feuerte ihn Sir Thedeus an. »Lenk ihn ab!«
    Melvin schloss die Augen. Der Zipferlak schnüffelte neugierig an ihm.
    »Also, tut etwas, bevor … Hey, nimm deine Nase da weg!«
    Der Zipferlak gurrte und hüpfte auf seinem Elefantenbein.
    »Wie kriegen wir ihn in den Spiegel zurück?«, fragte Fortune.
    »Wir brauchen den Opal.« Yazpib zog sich auf den Boden seines Glases zurück.
    Sir Thedeus und Fortune tauchten in das Meer aus Federn.
    »Ich kann ihn nicht finden«, sagte Sir Thedeus.
    »Finde ihn trotzdem!« Melvin schauderte, als der Zipferlak spielerisch an seinem Schwanz knabberte. »Schnell!«
    »Gefunden!«