Zu viele Flueche
tun. Für alles andere hatte das schließlich auch gegolten. Tiamas Ankunft war kein Zufall. Nessy erwog die Möglichkeiten.
Die erste und logischste Wahrscheinlichkeit war die, dass Tiama gekommen war, um das Schloss zu beanspruchen. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie wusste, dass Margle tot war. Zauberer hatten Möglichkeiten, solche Dinge herauszufinden. Wenn einer ihrer vorherigen Herren einen hässlichen Tod gefunden hatte, dann waren keine zehn Minuten vergangen, bis der nächste Arbeitgeber an die Tür geklopft hatte, eine kleine Armee von Golems im Schlepptau, um die Wertsachen des verstorbenen Rivalen wegzukarren. Wenn Tiama es wusste, warum nahm sie sich dann nicht einfach alles, was ihr nach Tradition der schwarzen Magier rechtmäßig zustand? Alles herrenlos herumliegen zu lassen, ergab doch keinen Sinn. Und so hakte Nessy diese Möglichkeit ab. Tiama war nicht hier, um das Schloss zu stehlen.
Nessy konnte nicht für sich beanspruchen, Zauberer - oder ihre Beweggründe - wirklich zu verstehen. Aber Tiamas Handlungen erschienen ihr noch unlogischer als üblich. Vielleicht suchte sie nach etwas ganz Besonderem. Möglicherweise war sie mit Margle in Konflikt geraten, und er hatte ihr etwas weggenommen oder einen Zauber auf sie gelegt, den zu brechen sie jetzt die Gelegenheit gekommen sah. Ob sie nun wusste, dass Margle tot war oder nicht, inzwischen musste sie sicherlich gespürt haben, dass etwas nicht stimmte. Wäre er gesund und munter gewesen, hätte er ihr gewiss nicht erlaubt, nach Gutdünken in seinem Zuhause herumzuwandern.
Tatsächlich hatte er das zu keinem Zeitpunkt jemandem erlaubt. Margle hatte für niemanden außer sich selbst gehortet und verflucht. Er war nie besonders daran interessiert gewesen, jemanden zu beeindrucken. Es war eine der wenigen Eigenschaften, vielleicht sogar die einzige, die Nessy an ihm bewundert hatte. Und ihre Gedanken wanderten immer wieder zu dieser Tatsache zurück. Tiama behauptete, eine Einladung sei ausgesprochen worden, aber das war doch nicht plausibel. Falls es andererseits eine Lüge war, so schien sie ihr unnötig. Es sei denn, sie wollte nicht, dass Nessy Verdacht schöpfte.
Aber eine schwarze Magierin hatte von einem einfachen Kobold nichts zu befürchten. Kein Herr, für den Nessy je gearbeitet hatte, hatte ihr gegenüber jemals etwas anderes als Verachtung gezeigt. Der Gedanke, dass Tiama sie fürchten könnte, war so absurd, dass er sie zum Lächeln brachte.
Und dennoch.
Und dennoch war dies die einzige Schlussfolgerung, zu der sie gelangte. Tiama die Narbige hatte das Schloss ausschließlich mit Nessys Zustimmung betreten, und jetzt ging sie nicht als stolze, kühne Zauberin durch seine Gänge, sondern als eine ängstliche Diebin, die vorsichtig herumschlich.
Bevor Nessy diese Feststellung weiter vertiefen konnte, ließ der Sehr Hungrige Teppich von dem Höllenhund ab. Die große, schwarze Bestie hob den Kopf und heulte, während Rauch und Schwefel von ihrer schuppigen Haut aufstiegen. Sie kratzte mit ihren Krallen über den Teppich und riss lange, hässliche Risse hinein. Der Schaden war für den Sehr Hungrigen Teppich nicht besonders groß. Er würde sich selbst wieder zusammennähen, wenn Nessy ihm ein paar Stofffetzen zu fressen gab. Der Hund schnüffelte eine Weile an dem Teppich, bevor er zufrieden schnaubte. Er kratzte sich hinter dem Ohr, begleitet von ein wenig musikalischem Geläut.
Dann richtete er seinen Blick auf Nessy und fletschte die Zähne. Sie machte sich fluchtbereit, aber der Hund knurrte sie nur an und zeigte seine langen, gelben Reißzähne, dann pirschte er sich an die nächstliegende Portion von Nessys zombifizierten Opfergaben heran. Er schlang die Mahlzeit hinunter, leckte mit seiner schlangenartigen, blauen Zunge den Trollschleim auf, bevor er zum zweiten Köder weiterrannte. Der wurde ebenso schnell verschlungen - und begeistert sprintete er zum nächsten.
Nessy folgte ihm in sicherem Abstand. Ein paar Mal warf ihr der Höllenhund einen Blick zu und fletschte die Zähne, doch sein Appetit überstieg seine Abneigung gegen sie. Er verspeiste eine Leckerei nach der anderen und folgte so genau der Route, die sie ausgelegt hatte. Besonders schien ihm der Trollschleim zu schmecken. Irgendwann wurde das wilde Dahinstürmen der Bestie zu einem faulen Schlendern, und sie sorgte sich, dass der Hund zu schnell satt sein könnte. Sie würde etwas tun müssen, damit er nicht vom Weg abkam. Das Beste, was sie aushecken konnte,
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