Zu viele Morde

Titel: Zu viele Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough

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antwortete sie mit unerschütterlicher Miene. »John hat vier Fünftel des Platzes in unserer Wohnungbelegt. Den größten Teil der Zeit verbringe ich hier unten, in diesem Zimmer.«
    Carmine starrte auf die Reihen von Büchern, die meist auf Deutsch zu sein schienen. »Ich vermute, Sie sind eine große Expertin, was die Gedichte von Rainer Maria Rilke angeht, Dr. Denbigh«, sagte er.
    Sie sah ihn erstaunt an, als dürften Polizisten diesen Namen eigentlich gar nicht kennen. »Ja, in der Tat, das bin ich.«
    »Unter anderen Umständen wäre es mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern, denn ich bin ein großer Rilke-Fan, aber ich befürchte, heute geht es eher um den Tod Ihres Ehemannes.« Er runzelte die Stirn. »Ihren Worten, Dr. Denbigh, entnehme ich, dass Sie eher eine distanzierte Beziehung zu Ihrem Mann hatten?«
    »Ja, das stimmt«, antwortete sie. »Ich sehe keinen Sinn in Heucheleien. Das wird Ihnen jeder hier am Dante bestätigen. John und ich führten eine Zweckehe. Um Dekan zu werden, musste ein Mann verheiratet sein, und eine Wissenschaftlerin als Frau zu haben bringt Vorteile mit sich. Offen gestanden, bin ich frigide. John war bereit, darüber hinwegzusehen. Junge Mädchen waren eher nach seinem sexuellen Geschmack, aber er war dabei immer sehr vorsichtig. Das musste er sein. Seine Ambitionen gingen dahin, Präsident einer Ivy-League-Universität zu werden, und er hatte alle nötigen Voraussetzungen, einschließlich eines Vorfahren von der
Mayflower
. Meine eigenen Bestrebungen standen in keinerlei Konflikt zu seinen. Wir kamen außerordentlich gut miteinander aus.«
    »War gestern Morgen irgendetwas anders an ihm?«
    »Nein, eigentlich nicht. Wenn überhaupt, dann war seine Laune etwas besser als sonst. Ich habe es beim Frühstück angemerkt – wir haben im Speisesaal gegessen –, und er hat gelacht und gesagt, er hätte gute Neuigkeiten.«
    »Hat er Ihnen erzählt, welche guten Neuigkeiten das waren?«
    Ihre Augen weiteten sich. »Nein. Eher könnten Schweine fliegen, Captain. Offen gestanden, dachte ich, er wolle mich ärgern.«
    »Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie gehört haben, was passiert ist?«
    »Fassungslos. Ja, ich glaube, das ist die beste Beschreibung für meine Gefühle. John war einfach nicht die Sorte Mann, die ermordet wird – zumindest nicht auf diese Weise und nicht in seinem eigenen Arbeitszimmer.«
    »Welche Form des Mordes hätte sie nicht fassungslos gemacht?«
    »Oh, irgendetwas Gewalttätiges. Erschossen – zu Tode geprügelt – erstochen. Egal, wie vorsichtig man ist, ist es gefährlich, mit jungen Mädchen anzubändeln. Sie haben Väter, große Brüder und Freunde. Ich erinnere mich nicht, dass er jemals Angst vor den Konsequenzen gehabt hätte, denn er war ein Genie, ein echtes Genie. Jede seiner Affären dauerte drei bis sechs Monate, abhängig davon, wie intellektuell unterbelichtet das Mädchen war – er hat sie nicht nach Intelligenz ausgewählt. Aber an dem Punkt, an dem er ein Mädchen langsam über hatte, wurde er nörgelig und unangenehm. Normalerweise dauerte es zwei Wochen, bis sie die Beziehung beendete, überzeugt davon, dass sie diejenige war, die nicht mehr wollte.«
    »Sie meinen, Ihr Mann hat den Mädchen ihr Selbstwertgefühl gelassen.«
    »Genau. Und er war darin ein Genie, Captain. Er spielte mit diesen dummen, jungen Dingern wie ein Virtuose auf der Geige. Und wenn sie sich trennte, hatte sie fürchterliche Angst davor, dass es herauskam, weil sie ihn zurückließ.«
    »Hat er auch sein eigenes Nest beschmutzt, Dr. Denbigh?«
    »Niemals. Ein Dante-Mädchen – obwohl wir natürlich erst seit diesem Jahr Mädchen hier haben – war absolut sicher. Er hat seine Beute in Joye’s Pancake Diner auf der Cedar Street aufgelesen. Ich nehme an, das ist ein Treff von Kids des East Holloman State College und dem Beckworth Secretarial College. Er hatte ein kleines Apartment in der Mulvery Street gemietet, nur ein paar Schritt vom Diner entfernt, und nannte sich Gary Hopkins, weil er meinte, das klänge so plebejisch. Soweit ich weiß, ist er niemals aufgeflogen.«
    »Früher oder später wäre ihm das passiert.«
    »Dann bin ich zutiefst erfreut darüber, dass ihm jemand Zyanid in seinen Tee getan hat, Captain.«

    Wow! dachte Carmine, als er kurze Zeit später das Dante verließ. Dean John Kirkbride Denbigh war wirklich ein Typ. Bis zu seinem Tod war das Glück ihm hold gewesen. Mit einer adelig schönen Frau, deren wissenschaftliche Bildung zu seiner