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Zu viele Morde

Zu viele Morde

Titel: Zu viele Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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»Schicken Sie mir jetzt bitte Mr. Terence Arrowsmith herein?«
    Dr. Ceruski verschwand mit einem Nicken, während Carmine umherstreifte. Der große Ledersessel direkt am Tisch war ganz offensichtlich der Ort, an dem Dean Denbigh gesessen hatte, der Perserteppich war seltsam verschmutzt, genauso wie die Sitzfläche des Sessels und eine Armlehne. Als Carminedie Tür hörte, blickte er rechtzeitig dorthin, um zu sehen, wie ein junger Gelehrter den Raum betrat: gebückt, mit hängenden Schultern, dicke Brillengläser vor hellen Augen und ein voller roter Mund in einem ansonsten unscheinbaren Gesicht.
    »Mr. Terence Arrowsmith?«
    »Ja.«
    »Ich bin Captain Carmine Delmonico. Würden Sie bitte auf dem Stuhl Platz nehmen, auf dem Sie saßen, als Dr. Denbigh gestorben ist?«
    Terence Arrowsmith ging stumm dorthin, setzte sich vorsichtig auf die Kante und starrte zu Carmine hoch.
    »Erzählen Sie mir alles – die ganze Geschichte, einschließlich des Grundes, warum Sie hier waren.«
    Einen Augenblick lang sagte der junge Mann gar nichts, leckte dann seine ungemein roten Lippen und begann. »Der Dekan nannte sie zweiwöchige Montag-Kaffees – wir haben alle Kaffee getrunken, nur er nicht. Er trank Jasmintee aus einem Laden in Manhattan und hat uns nie eingeladen, auch eine Tasse zu trinken, selbst wenn jemand sagte, ihm schmecke Jasmintee. Der Dekan meinte, er sei sehr teuer, und wir sollten keinen Hang dafür entwickeln, bevor wir nicht im letzten Semester seien.«
    Interessant, dachte Carmine. Der Dekan reibt ihnen seine exklusiven Präferenzen unter die Nase, und seine Studenten sind nicht besonders begeistert. Obwohl Terence Arrowsmith eben erst mit seiner Geschichte begonnen hatte, hatte Carmine den Eindruck, dass der Dekan nicht sonderlich beliebt gewesen war.
    »Man musste ein Junior oder Senior sein, um eingeladen zu werden«, sagte der junge Mann. »Ich bin ein Senior und ein ziemlich regelmäßiger Gast. Der Dekan war am Dante eineAutorität, und die unter uns, die Literatur der italienischen Renaissance studierten, waren seine Lieblinge. Wenn man Goethe oder die Modernen wie Pirandello studierte, wurde man nicht eingeladen.«
    Er ist akribisch, dachte Carmine, und wird mir alles erzählen.
    »Ich schreibe an einer Arbeit über Boccaccio«, fuhr Terence Arrowsmith fort, »und Dr. Denbigh gefiel meine Arbeit. Seine Treffen fanden jeden zweiten Montag statt. Das Schlimmste war, dass er die Zeit völlig ignorierte, also waren manche von uns, die direkt im Anschluss an die Kaffeepause eine Vorlesung hatten, zu spät und wurden nicht mehr hineingelassen. Wenn die Vorlesung wichtig war, war das schrecklich frustrierend, aber er ließ uns nie gehen, bevor er nicht mit seinem Thema zu Ende gekommen war. Er erwartete ein Geben und Nehmen, also war es nutzlos, ihn zu Eile anzutreiben, wenn man ihm das Wort überließ.«
    »War in der gestrigen Sitzung irgendetwas anders?«
    »Nein, Captain. Der Dekan hatte ungewöhnlich gute Laune – er hat sogar einen Witz erzählt. Der Ablauf war sehr streng geregelt. Wir kamen Punkt zehn, schenkten uns Kaffee ein und nahmen uns ein Gebäck. Während wir das taten, ging der Dekan zu einem Schrank und holte die kleine Kiste heraus, in der er seine Jasminteepäckchen aufbewahrte. Ich erinnere mich, dass er ungehalten war, weil in der Kiste nur noch ein Teebeutel war – er sagte, es hätten eigentlich drei sein sollen. Aber ich vermute, wir haben ihn alle dermaßen groß angeguckt, dass er uns keine Schuld daran gab und der Sache nicht weiter nachging. Während wir uns setzten, nahm er sein Päckchen und ging hinüber zu dem Wagen, wo eine Kanne mit kochendem Wasser für ihn stand.« Arrowsmith erschauerte. »Ich habe ihn beobachtet – nach der Sache mit dem fehlenden Tee haben wir das wohlalle. Er hat das Päckchen aufgerissen, hat es auf den Wagen fallen lassen und den Teebeutel in seinen Becher gehängt.«
    »Könnte man seinen Becher irgendwie verwechseln?«, fragte Carmine.
    »Nein. Erstens ist er aus feinstem chinesischen Porzellan – alle anderen sind normale, dicke Keramikbecher. Und außerdem steht auf beiden Seiten ›Der Dekan‹ in gotischer Schrift. Ich vermute, die Schrift des fünfzehnten Jahrhunderts war nicht blumig genug, aber er hat uns erzählt, seine Frau hätte sie ihm geschenkt. Er hat kochendes Wasser in den Becher gegossen, hat ihn herüber zu seinem Sessel getragen und sich hingesetzt. Sein Lächeln war so – selbstzufrieden. Wir wussten sofort, dass es ein

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