Zu viele Morde
Papiere hatte, ins nächste Flugzeug nach New York. Dort arbeitete sie zunächst im Sekretärinnenpool des NYPD-Präsidiums und wurde wenig später die Privatsekretärin eines Deputy Commissioners. Leider standen Sozialfälle und gesellschaftliche Außenseiter im Mittelpunkt seines Aufgabenbereichs, und Delia wurde schnell klar, dass sie überqualifiziert war für die Abteilung, zu der sie eigentlich wollte – zur Mordkommission. Das NYPD war einfach zu groß, und sie war zu gut in ihrem Job.
Also setzte sie sich in den Zug nach Holloman und bat Onkel John um einen Job. Da das Telefon am Vortag ihretwegen ununterbrochen geklingelt hatte, ignorierte Silvestri sein eigenes Diktum bezüglich Vetternwirtschaft und zog sie sich an Land. Nicht für sich selbst, sondern für Danny Marciano, dessen Verwaltungsaufgaben wesentlich umfangreicher waren. Was Delia nicht über die Polizeiarbeit wusste, hätte locker auf einem Stecknadelkopf Platz gefunden, aber Onkel John kam gar nicht in den Sinn, dass seine Nichte sich eigentlich nach Mord und Totschlag sehnte, bis Carmine zum Captain befördert worden war. Bitte, bettelte Delia, dürfte sie wohl für Captain Delmonico arbeiten, den Spezialisten für Mord und Totschlag?
»Das hier bedeutet aber stundenlanges Lesen«, sagte Carmine zu ihr.
»Ich weiß«, sagte Delia in ihrem geschliffenen Oxford-Englisch, »aber es ist alles so schrecklich spannend. Zwölf Morde an einem einzigen Tag!«
»Streu nicht noch Salz in die Wunde, du schreckliches Frauenzimmer!«
Sie lachte nur, tippelte auf ihren sehr hohen Hacken hinaus und ließ ihren Chef mit den Papierbergen auf seinem Schreibtisch allein.
Wo anfangen? Am besten mit den Larry Pisano-Fällen, den drei Schüssen und der Prostituierten.
Drei verschiedene Handfeuerwaffen, alle gedämpft. Warum waren die Morde auf diese Weise durchgeführt worden? Was war mit den Opfern, dass den Einsatz drei verschiedener Waffen notwendig machte? Die Antworten führten alle ins Nichts. Schalldämpfer deuteten auf professionelle Killer hin, keine Schießerei, wie sie im Hollow oder der Argyle Avenue üblich war. Und das zeugte von viel Geld, um drei harmlose Schwarze zu erschießen … Was um alles in der Welt konnten sie gewusst haben, das so einen Aufwand rechtfertigte? Pisano und sein Team hatten beharrlich alles durchwühlt, ohne Ergebnis. Die Frau war schon älter und friedfertig, die beiden jungen Männer waren feine junge Menschen. Auch Blutanalysen befanden sich unter den Unterlagen, die jedoch nichts preisgaben. Die Opfer schienen Leute zu sein, die zufällig ausgewählt und getötet worden waren.
Okay, dachte Carmine und schob die Schießerei beiseite, ich nehme einfach mal an, es handelt sich um einen Killer von außerhalb, und werde Larry und seine Jungs auf ein neues Feld ansetzen, sowie mir klar ist, wo intensive Ermittlungen am fruchtbarsten sind.
Als Nächstes nahm er sich Larrys letzten Fall vor: die Prostituierte. Jeder kannte Dee-Dee Hall, nicht nur, weil sie ständig in Schwierigkeiten gewesen war. Im Gegenteil. Obwohl sie auf den Strich ging, hatte sie ihren festen Zuhälter und ging nie fremd. Ihr Lude hieß Marty Fane und war einer der Gründe, dass sie nicht in Schwierigkeiten geriet. Er war für einen Zuhälter recht locker und schätzte Dee-Dee zu sehr, um sie schlecht zu behandeln. Obwohl sie inzwischen zweiunddreißig Jahre alt war, hatte sie ihre achtzehn Jahre auf dem Strich besser überstanden als die meisten und ihr umwerfendesAussehen behalten. Es war schade, dachte Carmine, dass sie nicht ein paar Jahre jünger war. Dann wäre sie eher ein Callgirl als eine Nutte geworden, aber zu dem Zeitpunkt, als Callgirls üblich wurden, hatte Dee-Dee bereits ihren Zenit überschritten. Ihre Haare waren kupferfarben, sie hatte grüne Augen, und ihre Haut besaß die Farbe von Milchkaffee. All das verschaffte ihr zwar viele Freier, war aber nicht der eigentliche Grund ihrer Beliebtheit. Sie war beliebt, weil sie einen super Blowjob liefern konnte. Ihr Zuhälter verwöhnte sie, indem er ihre Heroinsucht finanzierte und dafür sorgte, dass ihr Zimmer mit Bad und Küchenecke stets einen Putz- und Wäscheservice hatte.
Larry zufolge, der sich Dee-Dees Fall persönlich angenommen hatte, war Marty Fane wegen ihres Todes am Boden zerstört. Egal, wie intensiv Larry die Gestalten dieser zwielichtigen Welt, in der Dee-Dee und Marty lebten, verhörte, fand er keine Hinweise darauf, dass sich der Zuhälter und die Nutte gestritten
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