Zuckerblut
dubioses Privatleben.«
»Du meinst, wir könnten vielleicht herausbekommen, warum er das Geld seines Onkels so dringend brauchte? Warum er finanzielle Probleme hatte?«
Lindt war nachdenklich geworden. Vielleicht war Sternbergs Beschattungsidee doch gar nicht so schlecht.
»Hm, hm«, brummte der Kommissar unschlüssig und rieb sein rechtes Ohrläppchen. »Also gut, du kannst es ja mal versuchen. Aber nichts Unüberlegtes! Nimm noch einen Kollegen von drüben mit, damit ihr zu zweit seid und organisiere eine Ablösung, denn wenn Beschattung, dann richtig, dann rund um die Uhr, dann will ich wirklich alles über das berufliche und private Leben unseres Anwalts wissen.«
Jan strahlte und war schon fast draußen, drehte sich in der Tür aber noch mal um: »Welches Auto kann ich denn ...?«
»Nicht genug, dass er raus darf, jetzt will er auch noch meinen schönen Wagen«, nörgelte Paul Wellmann, denn er war sicher, dass Lindt ›seinen‹ Citroën nicht herausrücken würde, aber der Chef beschwichtigte ihn: »Lass gut sein Paul, nehm’ ich halt mal wieder das Fahrrad.«
Wellmann und Sternberg schauten sich nur stumm und sehr erstaunt an, worauf Lindt meinte: »Doch, ganz ernsthaft, ihr meint ja immer, dass ich zu dick geworden bin, also muss ich was für meine Figur tun.«
Er warf Sternberg den Schlüssel seines komfortablen französischen Wagens zu: »Aber heil zurückbringen, ich habe mich gerade so schön an ihn gewöhnt.«
Auf seinen jeweiligen Dienstwagen passte Lindt immer sehr auf. Sauberkeit war ihm nicht so wichtig, im Innenraum roch es nach Pfeifenrauch und schwarze Aschenkrümel zierten den Teppichboden, aber technisch musste der Citroen jederzeit tipptopp gewartet sein. Oft genug stöhnten die Mitarbeiter in der polizeieigenen Fahrzeugwerkstatt, wenn Lindt in den Hof bog.
»Was hat er denn jetzt schon wieder, der macht doch eh keine Einsatzfahrten, der weiß doch gar nicht, wo er das Kabel von seinem Magnetblaulicht einstecken muss«, witzelten sie immer, aber der Kommissar hatte stets etwas zu bemängeln.
›Flatternde Lenkung‹, ›merkwürdige Geräusche während der Fahrt‹, ›Bremsen ziehen schief‹, waren seine Standard-Meldungen, doch in Wirklichkeit wollte er sich nur ausgiebig umschauen, ob interessante Autos auf dem Hof standen, die er als Dienstwagen für sein Dezernat hätte rekrutieren können.
Fahrzeuge, die im Zusammenhang mit Straftaten beschlagnahmt worden waren, wurden oft der Kripo für verdeckte Ermittlungen zur Verfügung gestellt. So kam es, dass er mindestens ein Mal im Jahr den Wagen wechselte und dabei stets außergewöhnliche Modelle bevorzugte, vor allem solche, die er sich privat nie hätte leisten können.
»Der Oskar und sein Auto-Tick«, war Paul Wellmann einmal unbedacht rausgerutscht, doch Lindt hatte ihn nur verständnislos angeschaut und gemeint: »Öfter mal was Neues, Paul, natürlich nicht bei der Frau oder den Mitarbeitern, aber wenigstens bei den Autos. Ein bisschen Spaß muss in unserem Job doch auch sein, nicht immer nur kalte Leichen.«
»Du willst also wirklich mit deinem alten Damenrad, was du vor zehn Jahren mal da unten in den Keller gestellt hast, zum Einsatz fahren?«, fragte Paul Wellmann, nachdem Jan Sternberg gegangen war.
»Na, wenn das Wetter schön ist, Paul, ist ein Fahrrad hier in der Innenstadt doch prima und außerdem habe ich es erst letzte Woche benutzt. Allerdings heute ...«
Lindt schaute mit besorgtem Blick zum Fenster hinaus und sein Kollege hatte sofort verstanden.
»Sieht ja ziemlich nach Regen aus. Dort hinten kann ich schon zwei Wolken erkennen. Da werden wir leider mit dem Volvo fahren müssen.«
»Genau, Paul, wir beide steuern jetzt mal die Waldstadt an, das Haus, in dem der so plötzlich verstorbene Richter gelebt hat.«
12
Bei strahlend blauem Himmel kamen die beiden Kommissare in der Karlsruher Waldstadt an. Nur zwei Straßen weiter, als Lindt wohnte, erreichten sie die gesuchte Adresse. Allerdings schien die Wohngegend doch etwas vornehmer zu sein, denn statt Gebäuden mit vier bis sechs Wohnungen wie in Lindt’s Straße, reihten sich hier lauter Flachdach-Bungalows mit großen Gärten aneinander. Das Alter der Bäume auf den Grundstücken ließ auf eine Bebauung aus den Sechzigerjahren schließen.
›Dr. Alfons Baumbach‹ stand in schmiedeeisernen Lettern an der Steinsäule neben dem Gartentor.
»Hast du den eigentlich nicht gekannt, Oskar, so in deiner Nachbarschaft?«, wollte Wellmann
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