Zuckerblut
Pressplatten des ›Navy Flake‹ und drückte die Tabakskrümel in seine große gerade Lieblingspfeife. ›Zwar Bruyère- und kein Eichenholz‹ dachte er beim Betrachten des dunkelbraunen schweren Pfeifenkopfes, aber der Farbton trifft fast den vom Gerichtssaal.
Der Ostwind versprach anhaltend schönes Wetter, aber er blies die Flamme des Feuerzeugs mehrmals aus, so dass Lindt schließlich seine Jacke vorhalten musste, um die Pfeife zu entzünden.
Er schaute den davon treibenden Rauchwolken nach und überlegte, ob der Mörder von Schwester Andrea wohl auch schon über alle Berge wäre.
›Vielleicht aber‹, sprach er sich unhörbar Mut zu, ›finden wir ihn ja doch unter den Personen, die wir bereits unter die Lupe genommen haben. Möglicherweise fehlt uns nur ein kleines Detail zum Beweis.‹
Er dachte dabei wieder an den unvollständigen Fingerabdruck auf dem Stadtplan mit den fünf Blutspritzern. Für einen Vergleich würde das Fragment schon reichen, aber dazu müssten erst mal Abdrücke vorliegen.
Von wem? Vielleicht von Anwalt Baumbach? Schnell verwarf er den Gedanken wieder – ohne konkrete und wirklich stichhaltige Verdachtsmomente keinesfalls zu machen. Bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung würde der sich sofort an höchster Stelle beschweren und auf einen Rüffel aus der Chefetage hatte Lindt momentan überhaupt keine Lust.
Vielleicht an der Haustüre vom Anwesen Baumbach senior? Nein, erinnerte sich der Kommissar, die hatte der Anwalt nur mit dem Schlüssel geöffnet und außerdem könnten an einem vorher nicht abgewischten Türknauf ja die Abdrücke der verschiedensten Personen sein.
›Es wird mir schon was einfallen‹, ermutigte er sich selbst, ›ist mir schließlich immer noch ein guter Gedanke gekommen.‹
Lindt liebte mehr die eleganten und geräuschlosen Wege, um mit den Ermittlungen zum Ziel zu kommen. Hau-Ruck-Methoden und Aktionen, mit denen die Verdächtigen gewarnt oder kopfscheu gemacht wurden, entsprachen ganz und gar nicht seinem Stil von kriminalistischer Arbeit.
Während er bedächtig ziehend seine Pfeife genoss, schaute er weiter umher, beobachtete Radfahrer, Kinder, Hunde, Spaziergänger und dachte immer wieder zurück an seinen fürchterlichen Traum, den er erst einmal verarbeiten musste.
Lange war es ihm nicht vergönnt, die Gedanken so treiben zu lassen, denn Kollege Paul Wellmann meldete sich übers Handy. Er berichtete von seinen Nachforschungen, die tatsächlich eine ziemlich desolate Finanzlage des Rechtsanwalts Baumbach zu Tage gebracht hatten. In den Monaten vor der Erbschaft schien sich die Situation dramatisch verschärft zu haben. Nicht nur ein ständig bis zum Limit überzogenes Girokonto und ein Vollstreckungsbefehl wegen nicht bezahlter Miete für seine Kanzleiräume, sondern auch mehrere Mahnungen über ausstehende Ratenzahlungen von der Bank, bei der er eine Hypothek auf seine Wohnung aufgenommen hatte, ergaben ein recht trostloses Bild.
»Wenn es bei einem Anwalt mal so aussieht, ist es nicht mehr weit bis zur Veruntreuung von Mandantengeldern«, stellte Lindt fest.
»Habe ich mich auch schon gefragt, aber aktenkundig ist in dieser Richtung noch nichts«, kam Wellmanns Antwort. »Und genauso ist mir bisher schleierhaft, wofür der Baumbach das ganze Geld gebraucht hat. Kaum Überweisungen vom Konto, aber laufend Barabhebungen mit der Scheckkarte.«
Lindt ermunterte seinen Kollegen, in dieser Richtung weiter zu suchen und meinte: »Vielleicht kann uns tatsächlich Jan und seine Beschattungsaktion weiterbringen.«
Außerdem nahm der Kommissar sich vor, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit den ›Kurzen‹, seinen Lieblingsstaatsanwalt Tillmann Conradi, unverfänglich nach Baumbachs Ruf in Juristenkreisen zu fragen. Vielleicht bewahrheitete sich dann auch, was ihm seine Frau in dieser Hinsicht schon erzählt hatte.
Den Gedanken an Carla assoziierte Lindt umgehend mit dem Begriff Feierabend und gemeinsamem Nachtessen und nach einem Blick auf seine Uhr beschloss er, den Dienst für den heutigen Tag zu beenden. Mangels Dienstwagen machte er sich eben zu Fuß in Richtung der Straßenbahnhaltestelle bei der Universität auf den Weg – gerade rechtzeitig, um dort die Waldstadt-Linie zu erwischen.
14
Als er wieder ausgestiegen war und die kurze Strecke von der Haltestelle heimwärts ging, holte ihn seine Frau ein, die mit dem Fahrrad ebenfalls von der Arbeit kam. Sie stieg ab, Lindt schob mit rechts das Rad und Carla hakte sich auf
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