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Zuckerblut

Zuckerblut

Titel: Zuckerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Leix
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Lindt wunderte sich, sah dann aber einen großen dunklen ziemlich schmutzigen Geländewagen mit deutschem ... ja mit ›KA‹ ... mit Karlsruher Autokennzeichen heranfahren und eine Frau und einen Mann aussteigen. ›Den kenne ich doch‹, aber er konnte sich partout nicht erinnern, wer es war.
    Wie bei einem Filmschnitt fand er sich urplötzlich an einem ganz anderen Ort wieder. In seiner Eigenschaft als Kommissar hatte er in einem Mordprozess auszusagen und die Ermittlungsergebnisse vorzustellen. Furchtbar klein kam er sich vor, als er in den Zeugenstand getreten war und erdrückend hoch ragte vor ihm die aus dunklem goldbraunem Eichenholz gefertigte Vertäfelung des Richtertisches empor. Auch die in der gleichen Art gestalteten Plätze von Verteidigung und Staatsanwaltschaft auf seiner linken und rechten Seite wirkten auf ihn wie übermannshohe Bollwerke und er musste seinen Kopf schmerzhaft weit nach hinten beugen, um die Gestalten dahinter in ihren schwarzen Roben überhaupt erkennen zu können.
    Eine blecherne weibliche Stimme mit dem durchschneidenden Klang eines geschwungenen Säbels forderte ihn auf, mit seinem Vortrag zu beginnen und als Lindt aufschaute, erkannte er das hagere und scharf geschnittene Gesicht der gefürchteten Oberstaatsanwältin Lea Frey. Er war sich sofort im Klaren darüber, dass selbst die kleinsten Ungereimtheiten in seinen Ermittlungen zwar nicht hier vor Gericht, aber bei nächster Gelegenheit im düsteren Amtszimmer der Anklägerin von ihr in scharfem Ton gerügt werden würden.
    Lindt hörte sich sprechen, ohne jedoch zu verstehen, was er selbst sagte. Er spürte sein Herz bis zum Hals schlagen, als er seitens der Verteidigung plötzlich unterbrochen wurde. Auf seinem Zeugenplatz fühlt er sich durch die an drei Seiten hoch aufragenden dunkelbraunen Hartholzwände beängstigend in die Zange genommen, doch die übertrieben freundliche Stimmlage des Rechtsanwalts erkannte er sofort.
    ›Baumbach‹, fuhr ihm durch den Kopf, ›das ist der junge Baumbach, der Neffe, der Erbe‹ und als dieser sich im Zeitlupentempo von seinem Stuhl erhob und über den Rand der hohen Brüstung auf den Kommissar nieder schaute, geschah etwas Fürchterliches.
    Quälend langsam erschien nur nach und nach das fratzenhaft verzerrt lächelnde Gesicht des Juristen. Unerträglich lange dauerte es, bis sich dessen Kopf über die hölzerne Wand geschoben hatte. Er hörte aber nicht auf, sich vorzubeugen. Die Bewegung ging immer weiter und weiter. Unter dem Kopf wuchs der Oberkörper in der Robe und wurde länger und länger, bis er schließlich fast über dem Kommissar zu schweben schien.
    ›Das gibt es doch gar nicht, das ist doch unmöglich, wie komme ich denn hierher?‹ Lindt wusste nicht, wie ihm geschah, aber er konnte sich nicht bewegen und stand wie angenagelt tief unten auf seinem Zeugenplatz.
    Er hörte einen Schwall von Worten aus dem immer größer werdenden Mund des Anwalts, aber diese Sätze passten gar nicht zu der Art, wie er seine Lippen bewegte. Was er dort ablesen konnte, hieß für den Kommissar eindeutig: ›Ich mach dich fertig – lass mich in Ruhe‹ – ›Ich mach dich fertig – lass mich in Ruhe.‹ Ein um das andere Mal las der Kommissar diese Drohungen aus dem Gesicht des unheimlich über ihm schwebenden Verteidigers. Endlos wiederholte sich diese Szene wie bei einer Schallplatte mit Sprung, die immer wieder dieselbe Tonfolge von sich gibt.
    Zum Fürchten waren aber nicht nur diese unhörbar ausgestoßenen Worte, sondern mehr noch die gleichzeitig stattfindende Verwandlung des Kopfes, der immer mehr die Form eines sich stetig füllenden Ballons annahm und über Lindt zu zerplatzen drohte. Je dicker der Kopf wurde, umso mehr schoben sich oberhalb der Stirn zwei kleine Ausbeulungen durch die dunkel getönten Haare des immer noch zwanghaft lächelnden Anwalts.
    Mit schreckgeweiteten Augen, aber unfähig, davonzulaufen, starrte der Kommissar auf die ständig wachsenden hornartigen Gebilde und er begann sich ernsthaft vorzustellen, dass sich gleich der Boden unter ihm öffnen und ihn verschlucken müsste.
    Erst eine leise Stimme, die vom Richterstuhl her an sein Ohr drang, lies den Spuk wieder verschwinden. ›Lindt, Lindt, bitte, Sie müssen mir helfen, bitte, helfen Sie mir, unbedingt.‹ Das gütige Gesicht eines uralten Mannes mit schlohweißem, aber vollem Haar, blickte ihn zwar freundlich, aber mit deutlich sichtbarer Verzweiflung in den Auge, an.
    Er holte tief Luft, um dem

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