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Zuckerblut

Zuckerblut

Titel: Zuckerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Leix
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Richter zu antworten, aber dieses Luftholen dauerte eine Ewigkeit und je länger es dauerte, umso niedriger wurden die Holzwände des Richtertisches vor ihm. Es schien ihm wie eine Erlösung, doch ehe er etwas sagen konnte, bekam er einen harten Schlag auf den Hinterkopf.
    »Entschuldigung, war keine Absicht«, rief ein kleiner Junge, dessen Fußball den Kommissar so unsanft und schlagartig aus seinen Albträumen gerissen hatte.
    »Schon recht, macht nichts.« Noch halb in Trance hörte Lindt seine eigene Stimme, die dem davoneilenden Kind nachrief. Er rappelte sich hoch, stand auf, um frei atmen zu können und lehnte sich erst mal mit dem Rücken an die tief zerfurchte Borke des Eichenstammes.
    »Ich muss eingeschlafen sein«, sagte er halblaut vor sich hin. »Aber dieser Traum, dieser fürchterliche Traum.« Ruckartig bewegte er seinen Kopf, wie wenn er den eben erfahrenen Druck erst abschütteln müsste, um wieder ganz zur Besinnung zu kommen.
    Gleichzeitig fielen ihm aber verschiedene Aspekte aus den psychologischen Fortbildungen ein, die er belegte, so oft er Zeit dazu hatte. ›Um das nicht zu vergessen, sollte ich soviel wie möglich davon notieren‹, schoss ihm durch den Kopf und instinktiv griff er zu seinem ledergebundenen Notizbuch. ›Der Schreibblock auf dem Nachttisch ist das wichtigste Hilfsmittel, um den Träumen auf den Grund zu gehen‹ – diesen Satz hatte er in mehreren Schulungen gehört und sich gut gemerkt.
    Lindt setzte sich wieder, zog die Beine an und begann zu schreiben. Die beängstigende und erdrückende Situation vor dem Gericht war ihm noch ganz nahe, auch, weil er die Personen erkannt hatte.
    Eine aggressive Oberstaatsanwältin, die nur nach Fehlern in der Polizeiarbeit suchte, um die jeweiligen Beamten dann ›gnadenlos‹ in die Pfanne zu hauen, war ihm noch genauso vor Augen, wie der in vernichtender Bedrohung über ihm schwebende gehörnte Kopf des verlogen lächelnden Rechtsanwaltes Baumbach.
    ›Das war wirklich der Leibhaftige, das personifizierte Böse‹ – dieser Gedanke ließ den Kommissar nicht mehr los.
    Doch auch der mit verzweifeltem Blick hilfesuchende gütige alte Richter inmitten der aus dauerhaftem Eichenholz gearbeiteten Möblierung stand noch glasklar vor Lindts innerem Auge. ›Ganz sicher, der alte Baumbach‹ – auch wenn Lindt nicht recht wusste, ob er ihn jemals lebend gesehen hatte, so passte doch die Einrichtung des Hauses in der Waldstadt ganz genau zu der des Gerichtssaales.
    Etwas schwerer tat sich der Kommissar mit der Erinnerung an die ersten Teile seines Traumes. Stark beanspruchte Laufschuhe fielen ihm wieder ein. Natürlich, in der Wohnung der ermordeten Andrea Helmholz hatte er die in der Hand gehabt. Die vorbeischwebende Joggerin mit Stethoskop und weißem Pflegedienst – Kittel, ganz klar die tote Krankenschwester, auch wenn er merkwürdigerweise ihr Gesicht nicht gesehen hatte, doch da war er sich völlig sicher.
    Akribisch notierte Lindt jedes Detail, das er noch aus seinem Gedächtnis kramen konnte. Er hatte das Gefühl, irgendetwas Wichtiges müsste noch fehlen und strengte sich mächtig an, den Traum möglichst vollständig in seinem Notizbuch festzuhalten.
    Der Geräuschpegel des Autoverkehrs kam ihm aufs Mal wieder ins Bewusstsein. Ach ja, die Straße, die Schilder mit den kroatischen Ortsnamen, die Kinder im Waisenhaus, an dem gerade gebaut wurde und das Ehepaar Weinbrecht, das mit seinem Geländewagen dort vorfuhr, um zu organisieren und die in Deutschland gesammelten Spenden zu überbringen.
    Während er schrieb, wurde dem Kommissar ganz klar, dass sein Innerstes in der vergangenen halben Stunde sämtliche Zusammenhänge des aktuellen Falles aufgearbeitet hatte. Alles, was ihm durch den Kopf ging, hatte sich in dem Traum wieder gefunden.
    ›Aber hat es meine Arbeit vorwärts gebracht‹, fragte er sich. ›Ist dieser Anwalt wirklich das personifizierte Böse? Braucht der alte Richter tatsächlich Hilfe? Oder ist da vielleicht nur verstärkt zum Ausdruck gekommen, was ich selbst gerne glauben möchte?‹
    Lindt war aufs Mal ganz erschöpft. Traum und Nachbearbeitung hatten enorme Energien von ihm verlangt und so legte er sich einfach wieder der Länge nach hin, starrte zwischen den Ästen der alten Eiche hindurch in den blauen Himmel und versuchte, sich zu entspannen.
    Nach einiger Zeit setzte er sich erneut auf, lehnte an den Stamm und begann mit geübten Handgriffen eine Pfeife zu stopfen. Ganz automatisch zerbröselte er die

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