Zuckerguss (German Edition)
überwältigt dem Herzschlag des anderen.
Dann zieht David mich in seine Arme, und wir finden uns wie selbstverständlich in einem leidenschaftlichen Kuss wieder. Und daran ist nichts romantisch, im Gegenteil. Der Kuss ist stürmisch, wild, ungestüm.
Wir klammern uns aneinander wie zwei Ertrinkende, rettungslos verloren in der Nähe des anderen, während Millionen Sterne auf uns herabfunkeln.
22
Blinzelnd öffne ich die Augen. Sonnenstrahlen kitzeln meine Nase, zeterndes Möwengeschrei und Wellenrauschen dringen an meine Ohren. Im ersten Moment weiß ich nicht, wo ich bin, bis sich neben mir etwas bewegt.
Alarmiert will ich hochfahren, aber ein Arm liegt wie eine Liane über meinem Bauch und drückt mich an ein warmes, kuscheliges Joggingoberteil. Erschrocken halte ich mir die Hand vor den Mund, als ich realisiere, dass ich mit meinem Gesicht eng an eine männliche Brust gekuschelt liege.
An Davids Brust.
»Guten Morgen, du Schlafmütze«, begrüßt David mich mit einem Lächeln. Er streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr und sieht rundherum zufrieden aus.
»Morgen«, nuschele ich und verberge meinen Kopf in der Kuhle seiner Achsel. Mir ist die vertraute Situation mit einem Schlag furchtbar peinlich.
David küsst mich auf die Nasenspitze. »Du siehst herrlich verpennt aus.«
Ich ziehe eine Grimasse. »Danke für die Blumen.« Dass David selbst nach einer Nacht im harten Strandsand aussieht wie aus dem Ei gepellt, passt zu ihm. Lediglich seine kratzigen Bartstoppeln, die über mein Gesicht streifen, als er mir einen hauchzarten Kuss auf den Mund gibt, stören dieses ansonsten perfekte Bild.
»Und, wie geht es nun weiter mit uns?« David fährt hingebungsvoll die Kontur meines Mundes nach. Eine verspielte, zärtliche Geste, sein Gesichtsausdruck ist jedoch ungewohnt ernst. Vielleicht, weil er spürt, dass ich nicht die Antwort auf seine Frage habe, die er von mir hören will.
Denn nüchtern betrachtet gibt es kein »uns«. In wenigen Tagen sitze ich wieder im Zug nach Hannover, und damit erledigt sich dieses Thema zwangsläufig. Zurück bleibt eine Erinnerung an ein paar unvergessliche Tage in der Heimat, verbunden mit einem kleinen bisschen Wehmut.
Aber so einfach, wie ich mir das gerade vormache, ist es natürlich nicht. Gestern Nacht hat alles verändert. Allein bei dem Gedanken, wie David und ich uns hemmungslos knutschend im Sand gewälzt haben, steigt mir die Röte ins Gesicht. Zwei liebestolle Teenager, die nicht die Hände voneinander lassen konnten. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal derartig benehmen würde, aber mit David ist vieles anders. In meinem Herzen befinden sich ein Haufen Gefühle und Eindrücke, die ich nicht annähernd in Worte fassen kann. Einerseits bin ich verwirrt, mit welcher Leidenschaft ich mich David hingegeben habe, andererseits jagt mir gerade das eine enorme Angst ein. Denn jedes Mal, wenn ich mich Hals über Kopf auf jemanden eingelassen habe, endete das in einer Katastrophe. Und bei David kommt noch der Aspekt dazu, dass er unglaublich attraktiv ist. Es will mir nicht in den Kopf, dass er ernsthaft Interesse an mir haben könnte. Das ist schlicht absurd!
»Miriam?«
Widerwillig öffne ich die Augen und blicke in Davids braune Augen, in denen ich mich zu gerne verlieren würde. »Ich weiß es nicht, ich muss nachdenken«, gestehe ich und merke zu spät, wie das auf David wirken muss.
Er presst die Lippen zu einer Linie zusammen und zieht sich enttäuscht zurück. Sofort vermisse ich seine Wärme.
»Ich verstehe.« Zwei Worte, zwei Peitschenhiebe.
»Wir reden später, okay? Meine Familie macht sich bestimmt Sorgen um mich.«
»Hm«, macht David.
»David?« Er schaut auf. Bei seinem Anblick blutet mir fast das Herz. Am liebsten würde ich mich auf der Stelle in seine Arme werfen und sagen, dass alles gut wird. Dass es egal ist, was war oder wird. Hauptsache, wir haben uns. Aber so leicht ist das leider nicht. »Ich bereue nichts.«
David nickt kaum merklich. Trotz allem schaut er nicht mehr ganz so unglücklich.
Schweren Herzens lasse ich David am Strand zurück. Ein Ort, der ab heute unwiederbringlich mit David verknüpft sein wird.
Als ich ein paar Schritte gegangen bin, fällt mir seltsamerweise das Gespräch mit meiner Mutter wieder ein.
»Abendessen bei meinen Eltern heute Abend?«, rufe ich beschwingt, während mir der aufkommende Wind die Haare ins Gesicht bläst.
Ein feines Lächeln breitet sich auf Davids Gesicht aus. »In
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