Zuckerguss (German Edition)
Ordnung.«
»Prima. Um acht, und sei pünktlich.«
Kaum habe ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt, da wird bereits die Tür aufgerissen.
»Miriam! Gott sei Dank, wir haben uns solche Sorgen gemacht.« Meine Mutter nimmt mich in den Arm und umarmt mich so heftig, dass mir beinahe die Luft wegbleibt. »Wo warst du denn bloß?«
»Bei David«, erwidere ich kleinlaut. Ich muss mich erst wieder daran gewöhnen, dass meine Mutter glaubt, ich sei ein Kleinkind, das abends pünktlich um zehn Uhr im Bettchen zu liegen hat.
Meine Mutter macht große Augen. Dann schaut sie mich an, als ob ich ihr gerade verkündet hätte, eine Gehaltserhöhung in Höhe von 100 000 Euro zu bekommen. »Warum hast du denn nicht Bescheid gesagt!«
Unweigerlich rolle ich mit den Augen. »Mama!«
»Schon gut, schon gut. Ich weiß, du bist erwachsen. Aber ich mache mir nun einmal Sorgen, wenn einer von euch ohne ein Wort über Nacht wegbleibt.« Dummerweise werde ich das Gefühl nicht los, dass sie sich mehr um mich als um Eva und Alex sorgt. Tja, ich bin eben das Problemkind, da haben wir’s.
»Ach, Mama«, seufze ich und drücke sie an mich, »Unkraut vergeht nicht.«
»Das ist nicht lustig!«, fährt meine Mutter mich scharf an. »Du kannst dich bei deinem Vater bedanken, dass ich nicht in der Gegend herumtelefoniert habe. Dein Handy war ja sicherheitshalber mal wieder ausgeschaltet. Wozu hast du das eigentlich?«
Für einen Augenblick starre ich meine Mutter entgeistert an. Ganz ehrlich, wenn sie das getan hätte, ich würde mich auf der Stelle zur Adoption freigeben. Gott, wie peinlich. Nicht auszudenken, wenn ich nicht bei David gewesen wäre, und sie hätte ihn angerufen. Ich wäre im Erdboden versunken!
»Mama, mir geht es gut. Alles bestens, wirklich. Und bevor du fragst, ja, David kommt heute Abend zum Essen.«
»David kommt heute zum Essen?«, wiederholt mein Bruder feixend, der gerade in den Flur schneit.
»Willst du auch kommen, Alexander?«
Alex schluckt panisch. Hilfesuchend guckt er mich an. Ich hebe die Schultern und spiele die Überraschte. »Ich-ich bin mit Fred zum Pokern verabredet«, haspelt Alex, das blanke Entsetzen im Gesicht.
»Wie schade«, säusele ich und ziehe hinter dem Rücken meiner Mutter eine Grimasse.
»Ein anderes Mal«, antwortet meine Mutter diplomatisch.
»Hmpf«, gebe ich kaum merklich von mir. Das ist echt typisch! Alex drückt sich mit solch einer läppischen Ausrede vor dem Essen, aber ich müsste auch mit vierzig Grad Fieber erscheinen.
»Kannst du mir einen Gefallen tun, Schwesterchen?«, fragt Alex, als Mama beschwingt gegangen ist, um in der Küche Vorbereitungen für das Abendessen zu treffen. Nicht ohne mir mehrmals einzuschärfen, dass ich mich dem Anlass entsprechend »hübsch anziehen« soll. Ohne Worte.
Ohne Worte!
Mit hochgezogenen Augenbrauen lehne ich mich gegen die Flurgarderobe. »Einen Gefallen? Als Dankeschön, dass du dich heute Abend drückst, oder wie?«
»Du hättest an meiner Stelle das Gleiche getan«, verteidigt er sich.
Stimmt, aber das muss ich meinem Bruder nicht auf die Nase binden. »Und, was soll ich tun?«
Er guckt mich mit treudoofem Hundeblick an, fehlt nur noch, dass er winselt. »Könntest du nachher eine Torte für mich ausliefern? An Cora?«
»An Cora?«, echoe ich spitz. »Och, Alex! Muss das sein?« Soll die blöde Schnepfe sich ihre Torte gefälligst selbst abholen. Was will sie mit dieser Kalorienbombe? Doch sicherlich nicht essen.
»Bitte«, fleht Alex, »ich habe dir zwar erzählt, dass ich keine Gefühle für Cora habe, das stimmt auch, aber ich will ihr trotzdem nicht begegnen, wenn es sich vermeiden lässt.«
»Na toll!«
»Ich habe auch ein gutes Wort bei Papa für dich eingelegt«, wirft mein Bruder beifallheischend ein. Wie selbstlos von ihm. »Er will dich übrigens sprechen.«
Dieser Tag wird immer besser. Cora, mein Vater, das Abendessen. Ein Höhepunkt jagt den anderen, über fehlende Abwechslung kann ich mich wahrlich nicht beklagen.
»Also schön«, gebe ich mich geschlagen, Alex macht fast einen Luftsprung. »Dafür schuldest du mir was!«
Mein Bruder nickt eifrig. »Du bist die Beste.«
»Wenn das nur endlich jeder einsehen würde«, seufze ich augenzwinkernd.
Mit einem mehr als mulmigen Gefühl klopfe ich an die Tür des Kontors. Wenn ich jetzt einen Wunsch frei hätte, dann, dass das Gespräch mit meinem Vater längst hinter mir läge.
»Herein«, ertönt es von innen, mein Herz rutscht mir in die Hose. Verdammt,
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