Zuckerguss (German Edition)
offen über alles geredet, vor allem, wie es in Zukunft mit der Bäckerei weitergehen soll. Deine Mutter hat ja recht, ich muss kürzertreten«, gibt er knirschend zu. »Alexander macht einen guten Job, da gibt es nichts zu leugnen. Es fällt mir nur schwer, mich zurückzuziehen und die Fäden an die nächste Generation weiterzureichen.«
»Hm«, mache ich, »aber dadurch hast du mehr Zeit für Mama. Und ewig kannst du Alexander ohnehin nicht in der Bäckerei überwachen.«
»Das Argument bringt deine Mutter auch ständig vor. Insbesondere seit dem Geschenk deiner Schwester. Seit Tagen liegt sie mir mit dieser Reise nach Hiddensee in den Ohren«, stöhnt er gequält, zwinkert mir aber verschwörerisch zu.
»Siehst du.« Ich lächele.
»Ich glaube, irgendwie habe ich mich die letzten Jahre bereits an den Gedanken gewöhnt, Alexander die Bäckerei zu übergeben. Etwas anderes blieb mir ja auch nicht übrig, nachdem du dem Laden und mir den Rücken gekehrt hast.« Mein Vater verzieht etwas gequält den Mund. »Obwohl ich nach deiner Rückkehr trotz allem gehofft habe, dass du dich anders entschieden hast. So paradox es für dich klingen mag. Miriam, du hast ein unglaubliches Talent! Kannst du dir nicht doch vorstellen, die Bäckerei mit Alexander gemeinsam zu führen? Ihr beide wärt ein super Team.«
Ich schüttele vehement den Kopf. »Nein, Papa. Das Kapitel ist endgültig abgeschlossen.«
Mein Vater nickt niedergeschlagen. Doch zum ersten Mal scheint er mich wirklich zu verstehen und zu akzeptieren, dass ich nicht den von ihm geplanten Weg einschlage, sondern meinen eigenen gehe. Auf diesen Moment habe ich mehr als fünf lange Jahre gewartet.
Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass Papa und ich je wieder normal miteinander reden können. Schon gar nicht nach diesem fürchterlichen Streit gestern. Natürlich steht unsere Vater-Tochter-Beziehung auf wackligen Beinen, aber es ist ein Anfang. Damit lässt sich arbeiten. Was mein Vater allerdings sagen wird, wenn er erfährt, dass das mit der Karriere nicht so läuft wie angenommen, möchte ich mir lieber nicht ausmalen.
Ein warmes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus, als Papa auf mich zukommt und mich in seine Arme schließt. Wie selbstverständlich lege ich den Kopf an seine Schulter und schnuppere an seinem Hals. Er riecht herrlich nach frischem Brot, Seife und ganz viel Geborgenheit.
»Ich hab dich lieb, Papa.«
»Ich dich auch, Zuckerschneckchen.«
23
Für einen Sonntagnachmittag ist in der Wismarer Innenstadt ungewöhnlich viel Betrieb. Mit Einkaufstaschen vollbepackte Menschen schieben sich raupenartig durch die Fußgängerzone, die Sitzplätze der Cafés sind restlos besetzt und die Eisverkäufer geraten ins Schwitzen angesichts der Schlangen vor ihren Eisdielen. Verkaufsoffener Sonntag nennt sich dieses Großereignis, das es möglich macht, dem Shopping-Wahn sogar an einem Sonntag zu frönen. Wann hat man schließlich sonst die Möglichkeit, die dringend benötigte Bad-Garnitur oder ein paar neue Schuhe zu kaufen? Was allerdings so verlockend ist, sich mit tausend anderen Menschen bei dreißig Grad durch schlecht klimatisierte Läden zu drängen und nach möglichen Schnäppchen Ausschau zu halten, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen, wie meine Oma zu sagen pflegte.
Auf dem Rudolph-Karstadt-Platz herrscht jedenfalls ein solches Gedränge, dass ich notgedrungen einen Umweg über die kleinen Seitenstraßen rund um den Markt in Kauf nehme, damit ich Coras Erdbeer-Joghurt-Torte (kalorienreduziert, gähn!) unbeschadet bei ihr abliefern kann. Ich will mir nicht von Miss Ich-bin-ein-Topmodel-ihr-werdet-schon-sehen nachsagen lassen, die Torte wäre zermatscht gewesen.
Dass Alex mich zu dieser blöden Auslieferung überredet hat, ärgert mich mittlerweile maßlos. Viel lieber würde ich bei diesem schwülen Wetter am Strand liegen, mich in der Sonne aalen und faulenzen. Aber was tut man nicht alles dem kleinen Bruder zuliebe. Und wie dankt er es mir? Drückt sich um das Essen heute Abend, der Verräter.
Zwar habe ich nach der Aussprache mit meinem Vater nicht mehr ganz so viel Angst vor diesem Horrorabend, aber meine Eltern schaffen es bestimmt trotzdem spielend, mich bis auf die Knochen vor David zu blamieren. Da mache ich mir gar keine Illusionen. Eltern sind peinlich, egal wie alt man ist.
Gott sei Dank hat der Spuk mit meinem angeblichen Freund spätestens morgen endlich ein Ende. Dann werde ich Mama und Papa
Weitere Kostenlose Bücher