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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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Weglaufen ist keine Lösung.«
    Amen.

25
    »Da bist du ja endlich! Wo hast du nur gesteckt? David kann jeden Moment hier sein.« Der vorwurfsvolle Ton meiner Mutter ist nicht zu überhören. »Und wie du aussiehst! Wieso bist du noch nicht umgezogen?«, fährt sie tadelnd fort und bedenkt mich mit einem argwöhnischen Blick.
    Verstohlen wische ich mir über die Augen, um die letzten vermeintlichen Spuren der verschmierten Mascara zu entfernen, und atme mehrmals tief ein und aus. Unter gar keinen Umständen darf man mir anmerken, dass ich völlig durch den Wind bin.
    Ich sacke auf einen Küchenstuhl und überlege krampfhaft, wie ich meiner Mutter am schonendsten beibringe, dass David nicht wie geplant zum Essen kommt und sie sich die ganze Mühe umsonst gemacht hat. Bestimmt sitzt David gerade mit Cora in einem piekfeinen Restaurant und lacht sich über die dumme Miriam Behrens kaputt, die er so herrlich an der Nase herumgeführt hat.
    Ich habe so eine Wut, ich könnte mich selber ohrfeigen!
    Denn mit am schlimmsten ist, dass mir außer »Mama, mit David ist es aus« nichts Intelligentes einfällt, um meiner Mutter die Sache mit David halbwegs zu erklären.
    Fuck! Was mache ich denn nur?
    »Miriam, tu mir bitte den Gefallen und zieh dich endlich um! Ich habe dir extra was Schönes rausgelegt.«
    Der Mund klappt mir auf, meine Augen weiten sich. »Du hast mir was rausgelegt ?« Sofort vergesse ich das Dilemma mit David.
    »In deinem Schrank hing der alte Jeansrock, den dir Oma Herta zu Weihnachten geschenkt hat. Hoffentlich passt der dir noch.« Meine Mutter mustert mich kritisch. »Doch, müsste gehen. Und dazu ziehst du deine weiße Bluse an.«
    Fassungslos verberge ich meinen Kopf zwischen den Händen. Es ist offiziell. Ich erschieße mich. Auf der Stelle. Das kann meine Mutter nicht ernst meinen! Der Jeansrock ist eine glatte Katastrophe, und das ist noch schmeichelhaft. Mindestens acht Jahre alt und schon damals aus der Mode geraten, auch wenn mir meine Oma weiszumachen versuchte, dass ich in dem Rock unheimlich »fesch und modern« wirke. Zu Karneval vielleicht. In Wahrheit sehe ich in dem knöchellangen Rock nicht nur wie meine eigene Großmutter aus, sondern obendrein wie eine Hütchenfigur! Nie im Leben trage ich dieses potthässliche Teil mit den Blümchenranken. Nur über meine Leiche!
    »Ja, weißt du, Mama, ich muss mit dir … über etwas sprechen«, beginne ich zögerlich, werde jedoch jäh von der Türklingel unterbrochen. Meine Mutter guckt mich überrascht an, ich zucke nur ahnungslos mit den Achseln.
    Aus dem Flur dringt die beschwingte Stimme meines Vaters. Und eine weitere Stimme. Eine männliche Stimme. Eine mir keineswegs unbekannte männliche Stimme. Es vergehen zwei weitere ewig lange Sekunden, ehe es in meinem Kopf klick! macht.
    Entsetzt glotze ich die Küchenuhr an. 20:00 Uhr.
    Ach, du Schei–!
    Wie eine Verrückte flitze ich zur Haustür. Zwei Meter vorher bremse ich scharf ab. Ungläubig starre ich David an, er starrt unsicher zurück. Dann breitet sich ein verschmitztes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Mit seinem Zahnpastagrinsen überreicht er mir eine rosarote Gerbera und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    Gedankenverloren streiche ich mit den Fingerspitzen über die Stelle. Vor lauter Aufregung und Herzklopfen vergesse ich, dass ich eigentlich wütend auf ihn bin. Wieso muss der Kerl nur so gut aussehen in dieser grauen Cargohose und dem schlichten schwarzen Hemd? Und warum, um alles in der Welt, springen meine verdammten Klein-Mädchen-Hormone immer noch auf ihn an?
    Weil du in David verliebt bist, du dumme Nuss!
    Als mich diese Erkenntnis mit voller Breitseite trifft, bin ich einem seelischen Zusammenbruch nahe.
    Scheiße. Scheiße. Scheiße!
    Wie konnte das nur passieren? Das war nun wirklich nicht eingeplant.
    Panisch klammere ich mich an der Flurkommode fest, da ich befürchte, dass meine Beine jede Sekunde wegknicken.
    Oh Gott, oh Gott, oh Gott!
    Am liebsten würde ich heulen. Aus Verzweiflung und absoluter Dummheit. Wie konnte ich es so weit kommen lassen? Und warum habe ich nicht früher was gemerkt? Wie blöd bin ich eigentlich?
    Mein Vater hält anerkennend eine Weinflasche in die Höhe, die David als Geschenk mitgebracht hat. »Guter Geschmack, junger Mann«, lobt er. Papa zwinkert mir fröhlich zu und streckt unauffällig den Daumen in die Höhe. Test bestanden. Der zukünftige Schwiegersohn ist nach seinem Gusto. Kein Wunder, mein Vater ist bekennender

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