Zuckerguss (German Edition)
Wirrwarr steht meine Mutter wie ein Fels in der Brandung und scheucht die verzweifelt aussehenden Mitarbeiter von Biggi’s Partyservice herum.
Ungläubig lehne ich mit verschränkten Armen an dem Verandageländer und sehe dem Schauspiel zu. Ich habe immer gewusst, dass Mama – neben Modestylistin – die geborene Gastgeberin ist. Aber das hier spottet wirklich jedweder Beschreibung und übertrifft alles bisher Dagewesene.
Mit einem Kopfschütteln gehe ich zu ihr. Dabei muss ich einem wuchtigen Kerl ausweichen, der gerade einen Lautsprecher in den Pavillon schleppt. Mit zwei Handgriffen verbindet er die Box mit dem Mischpult des DJ s. Immerhin (und das muss ich meiner Mutter zugutehalten) hat sie kein Streichquartett bestellt.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mama.«
Meine Mutter strahlt mich an. »Danke, mein Schatz.« Ich umarme sie und will ihr mein Geschenk überreichen, als sie eilig abwinkt. »Nicht jetzt, Miriam! Das kommt zusammen mit den anderen auf den Tisch dort hinten.« Sie deutet auf einen Klapptisch in der Nähe des Buffets, auf dem bereits zwei Päckchen liegen. »Die Geschenke vorher auszupacken würde das Flair der Party zerstören.« Sie haucht das Wort »Flair« so hoheitsvoll, als ob wir uns am spanischen Königshof befänden und auf Etikette zu achten hätten.
Ich zucke mit den Schultern. Wenn meine Mutter meint, dass das wegen des »Flairs« sein muss, bitte.
»Und, was sagst du?« Mama macht eine weit ausholende Armbewegung und sieht mich neugierig an. Ich bin sicher, dass sie die Wahrheit nicht von mir hören will. Dieses Theater, das sie hier betreibt, ist sogar für ihre Verhältnisse too much .
»Ja … toll.« Ich versuche, begeistert zu klingen, aber es gelingt mir nicht ganz. Wie gut, dass das meiner Mutter in ihrem Wahn nicht weiter auffällt.
»Der Tipp mit dem Partyservice kam von Gloria. Als ich erwähnte, dass wir zu meinem Geburtstag nichts Großes planten, war sie ganz entsetzt. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Noch am gleichen Tag habe ich Biggi’s Partyservice angerufen, die kümmern sich um alles.«
Hätte ich mir gleich denken können, dass Tante Gloria hinter diesem ganzen Zirkus steckt. Vermutlich hat sie meine Mutter so lange bearbeitet, bis sie einlenkte. Klar, dass sich Susanne Behrens nicht von ihrer eigenen Schwester vorhalten lassen will, dass sie keine würdige Party zu ihrem fünfundfünfzigsten Geburtstag veranstaltet. Schließlich geht’s da um die Ehre. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die größte Gastgeberin in diesem Land …
»Einen roten Teppich gibt es aber nicht, oder?«
»Sei nicht albern, Miriam.«
Ich hüstele vernehmlich. Wer von uns beiden macht denn aus dieser Geburtstagsfeier einen Staatsempfang? Nicht, dass ich sonderlich überrascht bin. Der Hang zum Übertreiben liegt in der Familie. Seit Tante Gloria zu Luisas einundzwanzigstem Geburtstag die Wendeltreppe mit rotem Teppich auslegen ließ, erschüttert mich praktisch nichts mehr. Getoppt wurde das Ganze übrigens nur durch ein Spalier aus Luisas Freunden; allerdings ohne Verbeugung oder Hofknicks. Erschütternd. Wo selbst das Diadem auf Luisas Kopf nicht fehlte. Ich fand das Getue meiner Tante absolut lächerlich. Im Gegensatz zu meiner Mutter, die zwischen Neid und Begeisterung schwankte. Zum Glück konnte ich ihr diesen Quatsch für meinen Geburtstag ausreden. (Es stellte sich nämlich heraus, dass die Freunde meiner Cousine mit Geld bestochen wurden, damit sie sich auf der Treppe zum Hanswurst machten.)
Schweigend schaue ich zwei Männern zu, die ein Sonnensegel über dem Buffettisch aufbauen. Wenn meine Mutter bei der Gestaltung schon solch ein Trara macht, dann möchte ich mir nicht ausmalen, was das bei dem Essen erst wird. Das müssen förmlich Gebirge in Himalajaform sein. Mit Köstlichkeiten aus der ganzen Welt. Hoffentlich bricht der Tisch nicht zusammen. Der sieht trotz seiner Länge nicht sonderlich stabil aus.
»Wo steckt eigentlich der Rest der Familie?«, erkundige ich mich beiläufig.
»Dein Vater und Alexander sind in der Bäckerei – obwohl sie mir versprochen haben, sie heute nicht zu öffnen«, ereifert sich meine Mutter aufgebracht.
Ich muss mir das Lachen verkneifen. Wenn ich in der Haut der beiden stecken würde, dann hätte ich auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mich vor diesem Tohuwabohu zu drücken. »Und Eva? Wollte sie nicht gestern anreisen?«
Meine Mutter schüttelt nachsichtig den Kopf. »Deiner
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