Zuckerguss (German Edition)
Schwester ist beruflich etwas dazwischengekommen. Sie ist erst heute früh eingetroffen, du hast da noch tief und fest geschlafen«, zwinkert sie und streicht mir mit dem Finger über die rechte Wange.
Tief und fest geschlafen? Bei dem Lärm? Sehr lustig, Mama.
»Aha«, meine ich einsilbig.
»Sie wollte heute Vormittag eine alte Schulfreundin in Grevesmühlen besuchen. Zur Feier ist sie aber wieder da«, beruhigt mich meine Mutter, als sie meinen leicht bestürzten Gesichtsausdruck bemerkt.
»Eva hat Fabrizio mit zu ihrer Freundin genommen?«
Meine Mutter lacht herzhaft. »Natürlich nicht! Fabrizio ist nicht mit nach Wismar gefahren. Er konnte sich in der Klinik nicht losreißen, da ist wohl gerade Not am Mann. Na ja, kann man nichts machen. Er hat vorhin angerufen und sich tausendmal entschuldigt, der Arme.«
Oh.
Wieso bin eigentlich ich nicht auf die Idee gekommen, meinen Beruf vorzuschieben? Ach ja richtig, ich habe keinen. Ich bin nur eine arme Studentin, die sich von ihrer Schwester zu diesem Unsinn hat überreden lassen.
Ganz große Klasse!
Bis zum frühen Nachmittag bin ich mit meiner Mutter also wohl oder übel alleine – abgesehen von den sechs herumwuselnden Partyservice-Mitarbeitern in unserem Garten. Natürlich gibt es bedeutend Schlimmeres. Beispielsweise eine Mutter, die ihre Party am liebsten nach Feng-Shui ausgerichtet hätte. Gott sei Dank funktionierte das nicht wie ursprünglich geplant, wie ein Angestellter von Biggi’s Partyservice seinem Kollegen aufatmend zuraunt.
Meine Mutter und ich sehen dabei zu, wie das Sonnensegel über dem Buffettisch ausgerichtet wird. Im hinteren Teil des Gartens verteilen derweil zwei weitere Mitarbeiter mehrere Solarleuchten um die Hibiskus-Sträucher. »Das gibt der ganzen Feier einen romantischen Touch«, erklärt mir meine Mutter mit einem Augenzwinkern.
Ich habe schlichtweg keine Ahnung, was sie mir damit sagen will. Also zucke ich bloß mit den Achseln und lasse sie machen. Es hat ja doch keinen Sinn, gegen irgendeinen von ihren Plänen anzureden.
»Wann kommt eigentlich dein Freund Stephan, Schatz?«
Ähm.
Augenblicklich schrumpfe ich in mir zusammen und halte Ausschau nach dem nächsten Kaninchenloch. Oh Gott, wie erkläre ich meiner Mutter am schonendsten, dass es keinen Stephan in meinem Leben gibt? Mama, Stephan wird nicht kommen. Er heiratet Anne. Sie ist schwanger. Von ihm. Ach ja, und ich bin Single. Wieder einmal. Das Gesicht von meiner Mutter möchte ich sehen! Aber was wäre die Alternative? Ein imaginärer Freund? Angesichts meines Alters ziehe ich das eher nicht in Betracht. Und für einen Callboy ist es auch zu spät, oder? Steht diese Telefonnummer überhaupt in den Gelben Seiten? Und wenn ja, worunter?
Meine Mutter sieht mich erwartungsvoll an.
»Ach, Stephan. Ja … der … kommt später. Der musste noch … der musste noch … was Familiäres erledigen«, höre ich mich da bereits stammeln. Als es raus ist, schlage ich mir mit der Hand gegen die Stirn. Stephan musste noch was Familiäres erledigen? Himmel, Miriam! Erst denken, dann sprechen! Oje, wie komme ich denn da wieder raus? Wieso habe ich nicht gesagt, dass mein (nicht vorhandener) Freund ebenfalls beruflich zu sehr eingespannt ist? Das bot sich doch förmlich an! Stattdessen glaubt meine Mutter nun, dass Stephan jeden Moment durch die Terrassentür stolziert.
Argh!!!
Panisch drehe ich mich im Kreis. Mir bricht der kalte Schweiß aus. Wenn ich Stephan jetzt anrufe, dann müsste er es noch rechtzeitig nach Wismar schaffen. Ach nein, der macht ja Babyshopping mit seiner Anne. Mist, Mist, Mist. Wobei, was ist eigentlich mit diesem Thorsten? Wenn ich den … Oder lieber einen anonymen Callboy? Wo sind die verfluchten Gelben Seiten?
»Ich freue mich sehr, deinen Freund kennenzulernen«, plappert meine Mutter fröhlich weiter. »Eva hat zwar schon einiges über Stephan erzählt, aber wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, ist das ja doch etwas anderes.«
Allerdings. Erst recht, wenn das Gegenüber gar nicht vorhanden ist.
Während ich insgeheim einem Nervenzusammenbruch nahe bin, klatscht meine Mutter verzückt die Hände zusammen. Die Aufbauarbeiten sind abgeschlossen. Die Lampions haben den Leuchttest überstanden, und aus den Boxen dröhnt spiritueller Singsang. Hoffentlich versteht meine Mutter das nicht unter Unterhaltungsmusik.
»Der Garten sieht wirklich hübsch aus«, findet sie hocherfreut.
Ich enthalte mich einer Meinung. Ohne das
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