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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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ungehobeltste Kerl, der mir seit langem über den Weg gelaufen ist.«
    »Komplimente zu solch früher Stunde? Womit habe ich das verdient?«, fragt er grinsend, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
    Ich stoße die angehaltene Luft aus. Der Mann bringt mich zur Weißglut mit seinem Dauergrinsen. Wir sind hier nicht beim Verkaufsfernsehen! »Sie –«
    »Sind charmant?«, hilft er aus und lächelt schon wieder.
    Gleich verliere ich die Nerven. Wie kann man bloß so von sich eingenommen sein? Unglaublich!
    »Sie sind lästig, wollte ich sagen.«
    »Jetzt haben Sie mich getroffen.« Er legt die rechte Hand auf sein Herz und sieht mich an wie Bambi. Wenn er glaubt, dass mich das in irgendeiner Art besänftigen würde, irrt er sich gewaltig. Von jemandem wie ihm lasse ich mich nicht einlullen. Wäre ja noch schöner!
    »Wie mir das leidtut«, höhne ich. »Hätten Sie nun die Güte und würden das Bild löschen? Wo ich Ihre Aufnahme ohnehin verdorben habe, können Sie darauf bestimmt verzichten.«
    »Kommen Sie aus Wismar?«, will er wissen, während er tatsächlich an seiner Kamera herumzufummeln beginnt.
    »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.«
    »Ich versuche nur, Smalltalk zu machen«, antwortet er achselzuckend.
    »Sehe ich aus, als ob ich Interesse hätte, mich mit nervigen Touristen wie Ihnen zu unterhalten?«
    »Sie sehen vor allem aus, als ob Ihnen kalt wäre«, stellt er ungerührt mit einem Blick auf meine wachsende Gänsehaut fest. »Sie zittern ja förmlich.« Er legt mir seine Hand auf den Arm. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich ihn an und ziehe blitzschnell meinen Arm weg, als ob ich mich verbrannt hätte. »Darf ich Sie vielleicht ein Stück mitnehmen? Mein Wagen steht dort vorne. Sie könnten mich als Entschädigung zu einem Kaffee einladen.«
    Ich schnappe nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Sagen Sie mal, ist das Ihre Masche, wildfremde Frauen am Strand erst ohne ihre Erlaubnis zu fotografieren, um sie dann abzuschleppen?«
    »Glauben Sie, dass ich das nötig habe?«
    Ganz ehrlich? Nein. Dafür sieht er nämlich zu gut aus. Er ist bestimmt um die eins fünfundachtzig groß, seine kurzen, leicht gelockten hellbraunen Haare sind nach hinten gekämmt und reichen ihm bis in den Nacken. Der Dreitagebart lässt ihn verwegen aussehen, und unter seinem engen Shirt zeichnet sich ein muskulöser Oberkörper ab. Auf den zweiten Blick sieht er wirklich verboten attraktiv aus.
    Das beweist aber gar nichts! Er könnte ebenso gut ein Psychopath sein, der sich als harmloser Hobbyfotograf tarnt. Nur weil er zugegebenermaßen ganz vertrauenswürdig wirkt, muss er das nicht sein. Psychopathen erkennt man selten an ihrem Aussehen. Und die allerwenigsten laufen mit einem Schild herum, das sie als solche kennzeichnet.
    »Werfen Sie einen Blick in den Spiegel und beantworten sich diese Frage selbst«, entgegne ich schnippisch.
    »Ah. Sie sind also nicht abgeneigt.«
    »Das hätten Sie wohl gerne. Und damit Sie’s wissen, ich werde weder heute noch in naher Zukunft mit Ihnen einen Kaffee trinken gehen.«
    »Sie sind eine harte Nuss!«
    »Wird das bald was?«, fahre ich ihn unwirsch an, weil er immer noch mit seinem dämlichen Fotoapparat beschäftigt ist. Ernsthaft, wie schwer kann es sein, ein Foto zu löschen?
    »Immer mit der Ruhe, Schätzchen.«
    Ich will ihn gerade darauf hinweisen, dass ich nicht sein Schätzchen bin, als er mir endlich das schwarze Display mit dem Hinweis »Kein Bild« unter die Nase hält. Na bitte, geht doch! Als ich mich abwenden will, hält er mich zurück.
    »Sie haben mir meine Frage noch nicht beantwortet.« Erstaunt ziehe ich die linke Augenbraue hoch. »Wo Sie herkommen«, hilft er nach. »Und Ihren Namen wüsste ich auch gerne.«
    Der Mann ist hartnäckig, das muss ich ihm lassen. »Finden Sie es heraus«, erwidere ich ausweichend, nur damit er Ruhe gibt.
    »Das ist aber unfair! Sie können mich doch hier nicht stehen lassen.«
    »Doch, das kann ich sehr wohl.«
    Er seufzt dramatisch. »Sie sind stur.«
    »Nein, nur gut erzogen«, berichtige ich ihn gespielt lächelnd. Dann schnappe ich mir mein Handtuch und gehe erhobenen Hauptes.
    »Das werden wir noch sehen«, ruft er mir herausfordernd hinterher.
    Ja, oder auch nicht.
    In unserem Garten geht es hoch her. Überall liegen Kabel, unsere Obstbäume sind über und über mit bunten Lampions geschmückt (Weihnachten im Juni, hurra!), und der gesamte Garten ist mit weißen Klappstühlen zugepflastert. Mittendrin in diesem

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