Zuckerguss (German Edition)
überdimensionale Zelt (das sogar eine Tanzbühne beherbergt!), die drei Millionen Kabel und die ganzen Stühle würde unser Garten weitestgehend wie immer aussehen.
»Willst du dich nicht langsam umziehen?«
Ich blinzele überrascht. »Wozu?«
Meine Mutter mustert mich mit diesem speziellen Blick, bei dem ich mir immer vorkomme, als würde ich wie Omas alter Mopp in der Besenkammer aussehen. »Du willst hoffentlich nicht in diesem Aufzug auf der Feier erscheinen?« Sie wedelt aufgeregt mit ihren Händen in der Luft herum.
Verwundert blicke ich an mir herunter. Zu einer dunkelblauen Jeans trage ich eine khakifarbene Tunika. Um die Hüften habe ich locker einen breiten Gürtel geschlungen, das noch leicht feuchte Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Meine Füße stecken in bequemen Flip Flops. Ich finde, ich sehe durchaus angemessen angezogen für eine Gartenparty aus. Aber natürlich sieht meine Mutter das gaaaaanz anders.
»So geht das nicht!«, wiegelt sie entschieden ab. »Du siehst aus wie dahergelaufen.«
Mit offenem Mund glotze ich meine Mutter an. Ich sehe bitte wie aus? Ich glaube, ich höre nicht richtig. »Was ist denn an diesem Outfit so furchtbar?«
Meine Mutter legt die Stirn in Falten. »Alles, Schatz. Du musst doch einsehen, dass du in diesen Freizeitklamotten nicht auf eine Party gehen kannst, zu der sogar der Bürgermeister kommt.«
»Der Bürgermeister?« Das ist der Moment, wo ich mich erschießen möchte. Der verdammte Bürgermeister kommt zum Geburtstag meiner Mutter? Warum? Wieso? Weshalb?
»Verstehst du jetzt, warum du etwas Angemessenes tragen solltest?«
Trotzig verschränke ich die Arme vor der Brust. »Das da wäre?«
»Ein Kleid und ein paar vernünftige Schuhe – und nicht diese Badelatschen«, antwortet meine Mutter ohne zu zögern.
Oh nein! Nein, nein, nein. Ich werde unter gar keinen Umständen ein Kleid anziehen. Kommt nicht in die Tüte. Das kann sie vergessen! »Seit meinem sechzehnten Lebensjahr habe ich kein Kleid mehr getragen!«
Mama nickt bedeutungsvoll. »Das erklärt deine zahlreichen Fehlgriffe bei den Männern. Ich verstehe bis heute nicht, wieso du nicht mit Heribert ausgehen wolltest. Der Mann war perfekt. Investmentbanker, stilvoll gekleidet, gutsituiert, und er besaß tadellose Manieren.«
Ich verdrehe die Augen gen Himmel. Meine Mutter hört sich an, als wollte sie mir einen Pudel verkaufen. »Mama, Heribert war erstens fünfzehn Jahre älter als ich und zweitens ein busengrapschender Vollidiot!«
»Manchmal bist du wirklich arrogant.«
Mir verschlägt es die Sprache. Ich stehe einfach nur da und gucke meine Mutter fassungslos an.
»Es wundert mich nicht, dass du jahrelang Single warst. Bei deinen Ansprüchen und deinem grässlichen Modegeschmack«, fährt sie ungerührt fort.
» MUTTER !«
»Ich sage dir lediglich die Wahrheit.«
»Ich. Ziehe. Kein. Kleid. An!«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Natürlich tust du das, Schatz. Du gehst in die Stadt und suchst dir einen Traum von einem Kleid aus. Wir haben eine neue Boutique am Markt. Sehr elegant. Très chic. Es wird dir gefallen.«
Das bezweifele ich stark. Ich will weder ein Kleid tragen noch in diesem supertollen Laden shoppen gehen. Ich lasse mir von meiner Mutter doch nicht vorschreiben, was ich anzuziehen habe. Aus dem Alter bin ich nun wirklich raus. Mama will mir sowieso nur ein schlechtes Gewissen einreden, damit ich klein beigebe und sie ihren Willen bekommt. Aber nicht mit mir!
Meine Mutter drückt mir mit einem Lächeln ihre Kreditkarte in die Hand. Wo hat sie die denn auf einmal hergezaubert? »Komm mir nicht ohne ein hübsches Kleid zurück!« Dann ist sie im Haus verschwunden.
Ich stehe da wie vom Donner gerührt. Ich finde, jetzt ist der passende Moment, um eine Flasche Rotwein zu köpfen. Mindestens.
5
Seit geschlagenen zwei Stunden laufe ich bereits durch die Wismarer Altstadt und suche nach einem passenden und vor allen Dingen hübschen Kleidchen. Fündig bin ich bisher nicht geworden. Könnte daran liegen, dass die Einkaufsmöglichkeiten in Wismar nach wie vor bescheiden sind. Am Ende stehe ich dann doch vor dem von meiner Mutter hochgelobten Modeladen am Markt. Meine Laune ist im Keller, ich will dieses Drama nur noch hinter mich bringen.
In der Boutique Angélique herrscht im Vergleich zu der Hitze draußen eine angenehme Kühle. Der recht kleine Verkaufsraum ist bis in die letzte Ecke mit Kleidern, Röcken, Blusen, Hosen, Accessoires
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