Zuckerguss (German Edition)
kleinen Grüppchen beieinander. Um meine neuen Schuhe zu retten, auf die mir ein älterer Herr mit Bierwampe beinahe seinen Whiskey gekippt hätte, habe ich mich in eine Ecke der Veranda verkrümelt. Außer Reichweite von dem Gewusel.
Meine Mutter ist jedenfalls glücklich. Die Party ist ein voller Erfolg, und ich trage ein Kleid, bei dem sich Mama vor Begeisterung nicht mehr in Worte fassen konnte.
Ich nippe an meinem Champagnerglas, als ich Eva auf mich zukommen sehe. In all dem Trubel konnten wir uns bisher noch gar nicht richtig begrüßen.
»Hallo, Schwesterherz.« Sie gibt mir links und rechts ein Küsschen auf die Wange. »Wow, du siehst umwerfend aus.«
»Danke. Du aber auch.« Bei Eva ist das nichts Außergewöhnliches, sie sieht immer topgestylt aus. Zu ihrem schwarzen Ballonkleid trägt sie das kinnlange Haar leicht gelockt, ihre Füße stecken in schwindelerregend hohen High Heels.
»Wie findest du die Party?« Sie trinkt einen großen Schluck Champagner aus meinem Glas.
»Da mich niemand weiter beachtet, großartig. Obwohl ich mich ernsthaft frage, was all diese fremden Leute bei uns im Garten suchen. Kennst du nur annähernd die Hälfte von ihnen?«
Eva grinst. »Vermutlich sind das alles wahnsinnig wichtige Leute mit noch wichtigeren Aufgaben. Wir haben bloß keine Ahnung.«
»Das wird es sein!«, antworte ich kichernd, werde jedoch sofort wieder ernst. »Eigentlich müsste ich sauer auf dich sein.«
»Wieso?«
»Ich kann mich dunkel an die Worte ›ungerade Personenanzahl‹ erinnern.«
Verlegen hustet meine Schwester. »Zu meiner Verteidigung muss gesagt werden, dass ich von diesem Ausmaß nichts wusste.«
Das glaube ich ihr sogar. »Soll ich dir verraten, wem wir das zu verdanken haben?«
Sie guckt mich neugierig an.
»Tante Gloria.«
Eva rollt mit den Augen und stöhnt leise. Manchmal ist es schön, eine Leidensgenossin zu haben. Tante Gloria und Eva sind wie Hund und Katze. Während ich laufend meine Cousine Luisa als leuchtendes Beispiel unter die Nase gerieben bekomme, hält Gloria meiner Schwester seit Jahren Vorträge darüber, dass sie endlich schwanger werden müsse. Die biologische Uhr ticke unaufhörlich. Außerdem habe Eva eine Verantwortung unserer Gesellschaft gegenüber.
»Hast du sie schon erspäht?« Eva klingt nervös, ihre Hand zittert unmerklich.
»Nein, aber ich kann auch gut darauf verzichten«, gebe ich freimütig zu.
In dem Moment taucht wie aus dem Nichts ein rotblonder Haarschopf vor uns auf. Tante Gloria. Natürlich. Wenn man vom Teufel spricht.
Meine Schwester fasst sich am schnellsten. »Hallo, Gloria«, sagt sie mit einem 1000-Watt-Lächeln. Es ist uns strengstens untersagt, Gloria »Tante« zu nennen, denn das würde sie älter erscheinen lassen, als sie eigentlich sei. Findet sie. Darum gibt es bei ihr auch nie eine Geburtstagstorte, wo die Anzahl der Kerzen womöglich ihr Alter verraten könnte.
»Miriam, wie schön, dass du den Weg nach Hause gefunden hast!«, empfängt sie mich freudestrahlend und kneift mir in die Wange wie einem Neugeborenen.
»Ein Hoch auf die heutigen Navigationsgeräte.«
Eva stupst mich in die Seite. »Was macht die Gesundheit?«, fragt sie meine Tante schnell.
»Hach, Kinder, wenn ihr wüsstet! Neuerdings zwickt mein rechtes Knie alle paar Stunden. So ein stechender Schmerz, das könnt ihr euch nicht vorstellen. Unerträglich. Und dann noch der Rücken. Man wird ja leider nicht jünger«, seufzt Gloria wehleidig.
Ich verdrehe innerlich die Augen. Tante Gloria ist mit Abstand der schlimmste Hypochonder, den es auf der Welt gibt.
»Wo ist denn dein Mann?«, will sie von Eva wissen, nachdem wir uns zehn Minuten ihre ausführliche Krankengeschichte angehört haben.
»Fabrizio konnte aus beruflichen Gründen nicht kommen.«
Gloria schaut richtiggehend bedröppelt aus der Wäsche. »Wie schade. Grüß ihn von mir!«
»Mach ich«, verspricht Eva.
»Wie sieht es eigentlich mittlerweile mit der Familienplanung aus?«
Womit wir beim Thema wären …
Evas Hand krallt sich fester um das Glas. »Wir arbeiten daran.« Sie sieht aus, als würde sie die Zähne fletschen.
Ich gluckse leise.
Tante Gloria wiegt bedächtig den Kopf hin und her. »In deinem Alter wird das allmählich Zeit, Kind.«
An Evas Stelle wäre ich vor Entrüstung geplatzt. Wie kann ein Mensch nur dermaßen dreist sein? Sie tut so, als ob meine Schwester schon hundert wäre. Dabei ist Tante Glorias tolle Tochter gerade einmal zweieinhalb Jahre jünger als
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