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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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gaffenden Geburtstagsmeute reißt sie das mintgrüne Glanzpapier von meinem liebevoll eingewickelten Geschenk; ein dicker Bildband über die Ostsee, den ich in einem winzigen Antiquariat gefunden habe.
    »Der ist wirklich sehr schön, Miriam. Vielen Dank.« Die Geburtstagsgäste applaudieren eifrig.
    Ich stehe etwas teilnahmslos neben Eva, ein aufgesetztes Lächeln auf den Lippen, und schaue meiner Mutter dabei zu, wie sie das letzte Geschenk auspackt. Aus der dunkelroten Box flattert ein schlichter weißer Zettel.
    »Ein Gutschein für eine Woche Hiddensee, von Fabrizio und mir«, flüstert mir meine Schwester leise ins Ohr.
    Meine Mutter bekommt den Mund nicht mehr zu. Sie rennt auf Eva zu und drückt sie heftig an sich. Solch eine Begeisterung hätte ich bei meinem Geschenk auch gerne gehabt. Aber Eva ist ja immer schon der erklärte Liebling der Familie gewesen.
    Erst nach einer halben Ewigkeit und tausend überschwänglichen Danksagungen lässt meine Mutter Eva wieder los. Der DJ legt eine neue Platte auf, einige Mutige trauen sich auf die Tanzbühne. Darunter auch der Bürgermeister, der eine zierliche ältere Dame mit auberginefarbenen Ringellöckchen über die Bretter zu wirbeln versucht. Bei dem Bild, das die beiden abgeben, muss ich kichern.
    Mit einem Fingerzeig will ich Eva auf das merkwürdige Pärchen aufmerksam machen, als ich meinen Bruder Alex auf uns zukommen sehe. Mir fällt beinahe das Champagnerglas aus der Hand, das ich mir vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners geangelt habe, als ich erkenne, wen Alex im Schlepptau hat. Cora Schneider – aufgetakelt wie für den Wiener Opernball und wie eine Klette am Arm meines Bruders hängend. Das verliebte Lächeln ist dermaßen falsch, das sieht sogar ein Blinder. Als Cora mich bemerkt, drückt sie sich noch etwas enger an meinen Bruder.
    Ich bin fassungslos. Was will Alex denn mit der hier?
    »Hallo, kleiner Bruder«, begrüßt Eva ihn fröhlich. »Bist ja richtig groß geworden seit meinem letzten Besuch.« Sie knufft ihn in seine bärtige Wange.
    Er schlägt lachend ihre Hand weg. »Und du bist nicht schwanger. Ich will endlich Onkel werden!«, feixt Alex und tätschelt fürsorglich Evas flachen Bauch.
    »Ich werde es Fabrizio ausrichten«, lacht sie.
    »Wo steckt mein Schwager?«
    »In Hamburg. Die Arbeit, wie immer.« Ich sehe Eva an, dass ihr Fabrizios Abwesenheit mehr zusetzt, als sie in Wirklichkeit zugeben mag. Was ich verstehen kann, schließlich muss sie allein gegen die verwandtschaftliche Front ankämpfen.
    »Dafür habe ich Miriam als Ersatz mitgebracht«, sagt Eva beschwingt und scheint gar nicht mitzubekommen, dass Alex und ich uns geflissentlich ignorieren. Ich schiebe es auf ihr Harmoniebedürfnis.
    »Hallo, Alex.«
    »Sieh an, du bist also auch mal wieder in Wismar. Wie kommen wir zu der Ehre?«, will er gereizt wissen. Sein ganzer Körper drückt pure Ablehnung aus.
    »Alex!«, ermahnt Eva ihn streng.
    »Ist doch wahr!«
    » ALEX !«
    »Schon gut, ich halt die Klappe.«
    Ich presse die Lippen fest aufeinander. Ich kann Alex’ Groll auf mich nachvollziehen, auch wenn ich insgeheim auf Vergebung gehofft habe. Aber was erwarte ich eigentlich? Wegen mir hat Alex sein angestrebtes Medizinstudium aufgegeben, um auf Bäcker umzusatteln. An seiner Stelle wäre ich mindestens ebenso wütend, wenn ich von heute auf morgen meinen Traum hätte aufgeben müssen. Nur um Papa glücklich zu machen. Damit er einen Nachfolger für die bescheuerte Bäckerei hat, die die vermaledeite mittlere Tochter ja nicht übernehmen wollte. Alex und sein dämliches Pflichtbewusstsein! Warum hat er nicht einfach nein gesagt, dieser nachgiebige Esel.
    »So schnell sieht man sich wieder«, meint Cora mit einem schelmischen Augenzwinkern und legt demonstrativ den Arm um Alex’ Hüfte. Ich möchte die Frau schütteln, damit sie endlich ihre dreckigen Finger von meinem Bruder nimmt. Was will er bloß mit dieser Schnepfe? Gibt es in Wismar denn nicht genug andere Mädchen, die ihm gefallen? Muss es unbedingt Cora Schneider sein?
    »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du und mein Bruder … Du hättest aber auch was sagen können«, antworte ich betont vorwurfsvoll, während ich bemüht bin, an meinem gekünstelten Lächeln nicht zu verenden.
    Alex sieht uns beide überrascht an.
    »Oh, wir hatten heute bereits das Vergnügen«, kläre ich ihn auf. »Cora hat mir geholfen, dieses Traumkleid auszusuchen.«
    Cora kneift die Augen zusammen. Sie kämpft sichtlich mit sich, mir

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