Zuckerguss (German Edition)
führt dich zu mir?« Meine Frage klingt biestiger als beabsichtigt.
Eva zuckt unweigerlich zusammen. Sie fühlt sich ertappt. Ein leichter Rotschimmer überzieht ihren Porzellanteint. »Mamas Geburtstag«, rückt sie schließlich mit der Sprache heraus. »Am Samstag wird sie fünfundfünfzig, und ich dachte, dass …«
»Vergiss es!«
»Miriam, du musst kommen. Es ist Mamas Geburtstag!«
»Ja und? Ich wette, weder Papa noch Mama sind scharf auf meine Anwesenheit. Das Gleiche gilt für meine Wenigkeit!«
»Sie würden sich freuen«, beteuert Eva enthusiastisch, beide Daumen nach oben gestreckt.
»Sicher.« Meine Stimme trieft vor Sarkasmus. Ich liebe meine Schwester, ehrlich, aber den Gefallen tue ich ihr nicht. Unter gar keinen Umständen! Und wenn sie sich auf den Kopf stellt.
»Du bist schrecklich nachtragend.«
»Ich bin nachtragend?« Ich speie die Worte förmlich aus. »Muss ich dich erst daran erinnern, was bei meinem letzten Besuch vorgefallen ist?«
Eva rollt mit den Augen. »Du machst aus einer Mücke einen Elefanten.«
Die Kaffeemaschine kommt mit einem finalen Gurgeln zum Stillstand. Ich hole einen Becher aus dem Schrank und stelle ihn vor Eva hin. Beim Eingießen schwappt etwas von der Flüssigkeit auf das Tischtuch. Ich fluche leise. Mit einem Stück Küchenpapier versuche ich, den Schaden einzudämmen. Es gelingt mir nicht ganz.
Trotzig setze ich mich Eva gegenüber in den Korbstuhl. Vom Frühstück ist ein Brötchen übrig geblieben, und da ich dringend meine Finger beschäftigen muss, beginne ich, es zu zerpflücken. Eva sagt kein Wort. Schweigend trinkt sie ihren Kaffee.
Ich kann nicht glauben, dass Eva ausgerechnet mit dieser Bitte zu mir kommt. Sie weiß ganz genau, wie ich zu der Angelegenheit stehe. Auch nach fünf Jahren hat sich meine Meinung nicht geändert. Meine Schwester hat vielleicht die bösen Worte vergessen. Ich nicht.
Tatsache ist: Mein Vater und ich können nicht vernünftig miteinander reden, ohne uns gegenseitig Vorwürfe zu machen. Und das wird auch so bleiben, solange er mir nicht verzeiht, dass ich seine geliebte Bäckerei nicht übernehmen will. Eine Entscheidung, die ihm bis heute völlig unverständlich ist, schließlich besitze ich großes Talent, das könne ich doch nicht einfach wegwerfen. Dass ich nach dem Abitur eine Bäckerlehre beginnen würde, war für ihn daher seit ich denken kann sonnenklar. Dumm nur, dass ich keine große Lust dazu hatte. Auch wenn ich gerne stundenlang und in hingebungsvoller Kleinarbeit Torten verziert habe, meine berufliche Zukunft stellte ich mir dann doch anders vor.
Backen ist und bleibt für mich ein nettes Hobby – nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich umgeben bin von Rührbesen und Teigschabern, garniert mit Resten von Zuckerguss und Sahne an den Fingerspitzen und die Finger tief im Teig vergraben, dann vergesse ich für einen kurzen Augenblick die Welt um mich herum. Aber Backen ist nichts, womit ich später meinen Lebensunterhalt verdienen will. Und das liegt ganz sicher nicht am frühen Aufstehen. Die Familienbäckerei zu übernehmen ist mir folglich nie in den Sinn gekommen. Begabung und Spaß hin oder her. Doch auf dem Ohr ist mein Vater ja von jeher taub. »Was für ein Unsinn, natürlich wirst du Bäckerin. Ende der Diskussion!«
Aber nicht mit mir!
Kurz darauf brach ich Hals über Kopf meine Lehre ab. Mein Vater hat getobt, als er das rausbekam. Mit tomatenrotem Gesicht saß er am Tisch, schnaufte wie ein Stier und haute im Sekundentakt mit der Faust auf den Tisch. Meine Mutter hockte schweigend daneben und fuhr ihm beruhigend über die andere Hand, während ich betreten in der Ecke stand. Am liebsten hätte ich mir ein Loch gegraben. Mama schlug dann vor, dass ich doch BWL studieren könnte. Vielleicht würde mir das mehr liegen. Äh, sicher nicht. Um des lieben Friedens willen gab ich allerdings nach und begann, dieses staubtrockene Fach zu studieren. Ich hab’s bereits nach einer Woche bereut, aber ich hielt trotzdem tapfer zwei Semester durch. Dann hatte ich die Schnauze voll. Den entsetzten Gesichtsausdruck meines Vaters werde ich nie vergessen, als ich ihm gestand, dass ich das Studium ebenfalls hingeschmissen hatte. »Du bist eine einzige Enttäuschung, Miriam.« Ja, vielen Dank auch. Ich warf einen hilfesuchenden Blick zu meiner Mutter, doch die saß nur schweigend da und wich meinen Augen aus. »Alles klar. Dann will ich euch mit meiner Anwesenheit nicht länger belasten.« Ohne ein weiteres Wort ging
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