Zuckerguss (German Edition)
wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, bringt sie so schnell nichts davon ab. Wenn es sein muss, würde sie mich sogar in Ketten nach Wismar schleifen. Das Wort Niederlage existiert nicht in ihrem Wortschatz.
»Hallo, Schönheit.« Moritz steht im Türrahmen und betrachtet meine Schwester – wie könnte es anders sein? – mit anerkennendem Blick von oben bis unten.
Ich verdrehe innerlich die Augen. Wenn er mit so platten Sprüchen tatsächlich Frauen aufgerissen bekommt, verstehe ich wirklich die Welt nicht mehr.
»Wer ist das?«, will Eva flüsternd wissen und deutet in Moritz’ Richtung, der sich gerade die Haare mit einem Handtuch trocken rubbelt.
»Mein Mitbewohner. Einfach ignorieren.«
Plötzlich hat Eva es eilig. Geschäftstermin. Very important. Nicht aufschiebbar. Küsschen links, Küsschen rechts, winke winke und ab durch die Tür.
»Wer war das denn?«, erkundigt sich mein frisch geduschter Mitbewohner und knöpft sich die untersten Knöpfe seines weißen Hemdes zu.
»Eva«, antworte ich lapidar.
»Heißer Feger. Kriege ich ihre Telefonnummer?«
»Sie ist meine Schwester.«
»Seit wann bist du deswegen so kleinlich?«
»Sie ist verheiratet.«
»Tragisch. Bekomme ich trotzdem ihre Nummer?«
»Moritz!«
»Bleib locker.« Er grinst verschmitzt, gießt sich den restlichen kalten Kaffee in einen Becher und trinkt ihn in einem Zug aus. Mich schüttelt es insgeheim.
»Ist was passiert?«, fragt Moritz, auf den Besuch meiner Schwester zurückkommend. Sein Gesicht drückt ehrliche Besorgnis aus.
»Eva hat mich überredet – falsch, überrumpelt trifft es eher –, am Samstag auf der Geburtstagsparty meiner Mutter aufzutauchen.«
»Ich denke, du hast keinen Kontakt mehr zu deiner Familie«, wundert er sich.
»Richtig.« Bis auf die besagten Telefonanrufe von Tante Gloria. Und auf die kann ich wirklich verzichten! »Der Besuch daheim wäre nicht einmal das Schlimmste«, räume ich ein und ziehe eine Grimasse.
Moritz guckt mich erwartungsvoll an.
»Eva denkt, ich komme mit Stephan.«
Er verschluckt sich an dem Donut, den er gerade angefangen hat zu verzehren. »Hattest du nicht Schluss gemacht?«, hustet Moritz.
Ich nicke. Stephan und ich haben uns vor knapp acht Monaten getrennt. Er fand die beste Freundin seiner Schwester schlicht interessanter als mich. Ein Klischee wie aus einem Groschenroman. Herrlich. Die Trennung kam am Ende nicht wirklich überraschend, sie deutete sich lange vorher an. Als ich ihn dann mit seiner Neuen im Bett erwischte, zog ich die Konsequenzen. Wortlos packte ich meine Sachen und ging.
»Und wieso glaubt deine Schwester, dass du mit Stephan nach Wismar fährst?«
»Weil sie mich wie üblich nicht zu Wort hat kommen lassen«, poltere ich los. »Wie stehe ich denn jetzt vor meiner Familie da? Nicht nur beruflich, sondern auch privat eine einzige Katastrophe.« Mit einem Seufzen berichte ich Moritz von meiner Tatsachenverdrehung.
»Stephan soll dich hoffentlich nicht wirklich als dein Freund begleiten, oder?« Ich blicke scheinbar interessiert auf das Tischtuch, um Moritz’ durchdringendem Blick auszuweichen. »Du ziehst das ernsthaft in Erwägung?« Seine Empörung ist nicht zu überhören.
Ich kann mir auch etwas Besseres vorstellen, als mit meinem Ex-Freund auf der Behrens’schen Familienfeier aufzukreuzen. Stephan wird von meinem Überfall sicher alles andere als begeistert sein. Aber eine Alternative habe ich nicht. Zur Not bettele ich eben. Nützt nichts. Stephan schuldet mir das. Für ein paar Stunden meinen Freund zu mimen kann ja nicht so wahnsinnig schwierig sein. Im Scharadespielen hat er immerhin Übung. Je länger ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich von dieser Idee. Alles ist besser, als alleine nach Wismar zu fahren.
»Tu es nicht, Miriam!«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«, entgegne ich, von dem Gelingen meines Plans felsenfest überzeugt.
»Das ist schwachsinnig!«, regt Moritz sich auf. Fast habe ich den Eindruck, dass sich Schaum vor seinem Mund bildet. »Du bist eine junge, selbstbewusste Frau und nicht verpflichtet, deinen Freund mitzubringen, nur um vor deiner Familie nicht als Versagerin dazustehen.«
»Du bist so süß, Moritz! Ehrlich, die Frau, die dich mal heiratet, beneide ich jetzt schon«, antworte ich mit schwärmerischer Stimme und leicht benebeltem Ausdruck.
»Das Thema hatten wir schon.«
Ich stöhne laut auf. »Pah, ich freue mich unheimlich auf den Tag, an dem du dich wegen einer Frau komplett
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